das neue Gesetzesvorhaben möchte die Rehabilitation sowie die Intensivpflege stärken. Wir freuen uns, dass das Thema Rehabilitation für Menschen mit einer chronischen Erkrankung bedarfsorientiert überarbeitet werden soll. U.a. ist der Vorschlag, das Entwöhnungspotenzial für beatmete Patienten besser zu nutzen, grundsätzlich zu begrüßen. Dem Vorhaben, die außerklinische Intensivpflege künftig regelhaft in vollstationären Pflegeeinrichtungen oder in speziellen Intensivpflege-Wohneinheiten zu erbringen, widersprechen wir hingegen entschieden.
Der Referentenentwurf sieht vor, dass die Intensivpflege mit Beatmung in den eigenen vier Wänden nur noch dann möglich sein soll, wenn keine Versorgung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung oder in einer Wohneinheit im Sinne des § 132i Absatz 5 Nummer 1 möglich oder zumutbar ist. Damit sind wir nicht einverstanden. Wir erwarten und fordern eine deutliche Aussage im Gesetzestext, dass Menschen mit neuromuskulären und anderen degenerativen Erkrankungen, die dauerhaft auf Beatmung angewiesen sind und bei denen eine Entwöhnung nicht in Frage kommt, weiterhin die Beatmung und die damit verbundene Behandlungspflege uneingeschränkt am Ort ihrer Wahl erhalten. Für Kinder ist dies erfreulicherweise vorgesehen. Genauso ist es sachlich und medizinisch nicht begründbar, dass erwachsene Menschen in eine stationäre Einrichtung ziehen müssen, sobald eine Beatmung aufgrund ihrer fortschreitenden Erkrankung nötig wird.
„Für neuromuskulär erkrankte und andere Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen stellt die häusliche Beatmung (Heimbeatmung) häufig einen wichtigen Baustein in der Normalisierung ihres durch die Erkrankung stark veränderten Lebens dar. In keiner Weise kann von der DGM unterstützt werden, dass sich diese Patienten zwangsläufig auch für die Beatmung in stationäre Behandlung begeben müssen. Aus Sicht der Vertreter von Patienten mit schwerwiegenden und zum Teil auch fatal verlaufenden neuromuskulären Erkrankungen wird deswegen gefordert, die Patienten mit diesen Erkrankungen weiterhin im häuslichen Setting beatmen zu können und für diese Patienten eine möglichst normale Lebenssituation und damit eine Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen“, so Prof. Dr. Peter Young, Neurologe, Schlaf- und Beatmungsmediziner sowie Vorsitzender des MedizinischWissenschaftlichen Beirats der DGM.
Eine Beatmungsunterstützung bzw. ein Beatmungsersatz bedeutet einen extremen Einschnitt in die Lebensqualität des Patienten. Durch den von Ihnen vorgelegten Referentenentwurf wird die Gesamtsituation zusätzlich erschwert. Wir gehen davon aus, dass viele schwerkranke Patienten diese wichtige Behandlung trotz dringenden medizinischen Rats verzögern oder gänzlich ablehnen werden, um ihr selbstständiges Leben und die Gemeinschaft mit ihren Familien nicht zusätzlich aufgeben zu müssen. Für einige Krankheitsbilder wäre diese Verweigerung verheerend und lebensbedrohend. Wir verweisen auf die S2k-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz – Revision 2017“ und auf die DGM-Information „Atemstörungen und außerklinische Beatmung“.
Aus Sicht der DGM fehlt in dem Gesetzentwurf der Blick auf Menschen mit einer neuromuskulären, insbesondere neurodegenerativen Erkrankung. Bei den über 800 verschiedenen Muskelerkrankungen gibt es zahlreiche Verläufe, die zwangsläufig zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Beatmung führen und bei denen keine Chance zu einer Entwöhnung besteht. Diese Menschen möchten die Möglichkeit, ein Leben in größtmöglicher Selbstbestimmung führen zu können, auch zukünftig in Anspruch nehmen. Die Wahlmöglichkeit der Versorgungsalternativen muss ohne bürokratische Hindernisse gegeben sein. Dazu braucht es sowohl Qualitätsstandards in Wohngruppen und stationären Wohnheimen als auch ausreichend ausgebildetes Intensivpflegepersonal für die häusliche Versorgung. Wir fordern den Gesetzgeber auf, medizinische Indikationen in den Gesetzesentwurf aufzunehmen, um den betreffenden Patienten die Möglichkeit der Heimbeatmung ohne bürokratische oder zeitliche Barrieren zu ermöglichen. Kosteneinsparungen dürfen nicht dazu führen, dass Menschen eine Versorgung mit Heimbeatmung abgesprochen wird.
Mit freundlichem Gruß
Joachim Sproß
Bundesgeschäftsführer