Psychische Beeinträchtigungen und krankheitsbezogene Ängste belasten viele COPD-Patienten. Wie sie mehr Lebensqualität erlangen können, erklärt Prof. Dr. Nikola Stenzel von der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) in ihrem Online-Vortrag auf dem virtuellen Symposium Lunge am 4.9.2021.
Eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) geht mit deutlichen körperlichen Beeinträchtigungen einher und hat meist gravierende Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen. Zusätzlich erlebt ein Teil der Betroffenen auch psychische Beeinträchtigungen. Nicht immer ist dabei das Vollbild einer psychischen Erkrankung (wie z.B. eine Depression oder Angststörung) vorhanden, häufig leiden die Betroffenen aber unter einzelnen Depressions- oder Angstsymptomen.
Vor dem Hintergrund der real existierenden Bedrohung durch die Erkrankung treten häufig auch „krankheitsbezogene Ängste“ auf. Damit sind die Ängste und Sorgen der Betroffenen vor der Symptomatik selbst oder auch vor deren Folgen für die Zukunft gemeint.
Inzwischen existiert eine ganze Reihe Untersuchungen, die sich mit den Folgen krankheitsbezogener Ängste beschäftigt haben. Diese zeigen, dass sich krankheitsbezogene Ängste nicht nur auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken, sondern auch den Umgang der Betroffenen mit der Erkrankung negativ beeinflussen können. Speziell Angst vor Atemnot und Angst vor körperlicher Aktivität können beispielsweise mit einer Vermeidung körperlicher Aktivität und einem allgemeinen Rückzug vom Alltagsleben einhergehen. Dies kann wiederum die Krankheitsbewältigung erschweren und zu weiteren Beeinträchtigungen führen.
Auch eine gedrückte, depressive Stimmung kann sich negativ auf die Lebensqualität auswirken und das Krankheitsverhalten der Betroffenen beeinflussen. Depressive Erkrankungen gehen häufig mit einer starken Antriebslosigkeit einher. Die Betroffenen haben oft das Gefühl, sich zu nichts aufraffen zu können und an nichts mehr Freude zu haben. Im Alltag ziehen sie sich von anderen Menschen zurück und sind häufig mutlos in Bezug auf ihre Erkrankung und deren Behandlung. Das kann insgesamt zu einer schlechteren Selbstfürsorge führen: Beispielsweise zeigen Untersuchungen, dass einige depressive Personen Medikamente nicht wie verordnet einnehmen, Arzttermine nicht wahrnehmen oder Rehabilitationsmaßnahmen eher abbrechen, da sie durch ihre psychische Situation einfach zu belastet sind.
Studien zu protektiven Faktoren und Ressourcen zeigen dagegen, dass soziale Unterstützung (z.B. durch Angehörige oder andere Betroffene) einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen haben kann – und das unabhängig vom aktuellen Krankheitsstadium. Die körperliche Verfassung der Betroffenen ist also nicht alleine maßgeblich für die Lebensqualität, sondern es spielen viele Faktoren eine Rolle.
Ein wichtiger erster Schritt für einen erfolgreichen Umgang mit psychischen Begleitsymptomen ist, dass die Betroffenen sich anderen Menschen gegenüber öffnen und von Ihren Beschwerden berichten.
Psychische Symptome sind in unserer Gesellschaft leider immer noch stigmatisiert, so dass viele Menschen lange warten, bis sie sich Hilfe suchen. Dabei ist es grade im Kontext einer chronischen Erkrankung häufig, dass von Zeit zu Zeit Ängste auftreten oder sich Betroffene Sorgen um ihre Zukunft machen.
Für viele Menschen ist eine Selbsthilfegruppe ein gutes Forum, um sich erstmals zu öffnen. Der regelmäßige Austausch mit anderen Personen, die in einer ähnlichen Situation sind, wirkt häufig sehr entlastend. Aber auch medizinische Behandler können dabei helfen, eigene Ängste zu hinterfragen oder über Möglichkeiten informieren, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Sie können auch entscheiden, ab wann psychische Begleitsymptome eine zusätzliche Behandlung erfordern und in welchen Fällen Betroffene selbst gegen psychische Beschwerden entgegenwirken können.
Auch eine gute Selbstfürsorge kann sich positiv auf psychische Beschwerden auswirken. Viele Betroffene berichten, dass die Erkrankung in ihrem Leben einen sehr großen Raum eingenommen hat. Darüber sind eigene Interessen und Ziele häufig in den Hintergrund getreten oder haben sich verändert. Die Betroffenen müssen daher neu herausfinden, was ihnen im Alltag guttut und was unter den gegebenen Umständen auch umzusetzen ist. Auch hierbei kann eine offene Kommunikation mit Freunden und Angehörigen, aber auch mit anderen Betroffenen hilfreich sein. Wenn eine gute Selbstfürsorge gelingt, kann das wie eine Art „Puffer“ gegen psychische Beschwerden wirken.
Letztendlich spielen viele Faktoren für eine Aufrechterhaltung und Verbesserung der Lebensqualität eine Rolle. Die gute Nachricht ist, dass es deshalb auch viele Möglichkeiten gibt, psychischen Beschwerden entgegen zu wirken. Wichtig ist dabei die individuelle Perspektive: Was dem einen gut tut, muss nicht auch dem anderen helfen. Letztendlich sollten Betroffene versuchen, die besten Experten für sich selbst und ihre Erkrankung zu werden. Gemeinsam mit den Angehörigen und unterstützt von medizinischen Behandlern lässt sich im Allgemeinen viel bewirken.
Quelle: Online-Vortrag von Prof. Dr. Nikola Stenzel von der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB) auf dem virtuellen Symposium Lunge am 4.9.2021
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Organisationsbüro Symposium-Lunge
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Telefon: 02324 – 999 959
Alle Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier:
Symposium-Lunge 2021
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Quelle: COPD – Deutschland e.V.
2. August 2021