Abwerbung in der Pflege – mehr als ein Ärgernis!

Nahezu alle Pflegedienste kennen das: Die Abwerbung von Mitarbeitern und / oder Kunden, die zu einem direkten Kon-kurrenzunternehmen wechseln. Besonders ärgerlich, wenn dies durch Arbeitnehmer des Pflegedienstes erfolgt und wo-möglich die Spezialkenntnisse der Mitarbeiter durch zeit- und kostenintensive Fortbildung gefördert wurden. Für den Pflegedienst als Arbeitgeber bedeutet der Verlust einer oder mehrerer Fachkräfte nicht nur eine Verstärkung des Personalmangels, sondern in der Regel auch einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden,  der im Einzelfall auch existenzbedrohend sein kann. Kann die Abwerbung durch eigene oder ehemalige Arbeitnehmer verhindert werden?Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht während des laufenden Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot. Dem Arbeitnehmer ist daher während des rechtlichen Bestehens seines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich jede konkurrierende Tätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Dies gilt selbst dann, wenn der schriftliche Arbeitsvertrag insoweit keine ausdrückliche Regelung ent-hält. Der Grund für diesen Rechtsgedanken ist einleuchtend: Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden.
Der Arbeitnehmer darf demzufolge während des Arbeitsver-hältnisses keine konkurrierende Tätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers ausüben.  Arbeitsvertragswidrig und unzulässig sind damit alle Handlungen des Arbeitnehmers, die unmittelbar in die Interessen des Arbeitgebers eingreifen. Eine direkte Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers  liegt bereits dann vor, wenn ein Arbeitnehmer versucht, einen oder mehrere Kollegen abzuwerben. Eine vertragswidrige Abwerbung ist also schon dann von rechtlicher Bedeutung, wenn  durch einen Arbeitnehmer auf Arbeitskollegen eingewirkt wird, um sie zu veranlassen, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis aufzugeben und für den Abwerbenden oder einen anderen Arbeitgeber (Pflegedienst) tätig zu werden.

Das Gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer gezielt auf Kunden einwirkt, um sie zu veranlassen, zu einem Konkurrenzunternehmen des Pflege-dienstes zu wechseln.
Die Unzulässigkeit der Abwerbung sollte dem Arbeitnehmer im schriftlichen Arbeitsvertrag mit einer entsprechenden Klausel deutlich gemacht werden. Möglich ist auch die Aufnahme einer pauschalen Vertragsstrafenvereinbarung, nach der der Arbeitnehmer für den Fall der Abwerbung eines anderen Arbeitnehmers oder eines Kunden während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Zahlung einer bestimmten Vertragsstrafe verpflichtet wird.

Das abwerbende Verhalten des Arbeitnehmers stellt darüber hinaus auch eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen (Treue-) Pflicht dar. Die unzulässige Abwerbung kann daher Gegenstand einer Abmahnung sein und – bei schwerwiegen-den Verstößen – eine verhaltensbedingte (fristlose) Kündigung rechtfertigen.

Anders ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn der Abwerbende schon vor dem Abwerbungsversuch aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Mit dem Ende seines Arbeitsverhältnisses endet regelmäßig auch seine Treuepflicht gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber. Nur wenn, und soweit die Abwerbung die Grenzen des freien Wettbewerbs überschreitet, ist die Abwerbung unzulässig. Die Unlauterkeit einer Abwerbung kann sich dabei aus einem Verstoß gegen die Grundregeln des Wettbewerbs ergeben, d.h. wenn zum Abwerben wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden.

Auch die Absicht, durch die Abwerbung den Arbeitgeber sittenwidrig zu schädigen, kann die Unzulässigkeit der Abwerbung zur Folge haben. Eine sittenwidrige Abwerbung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Abwerbung durch inhaltlich falsche oder herabwürdigende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber erfolgt oder (frühere) Kollegen dazu verleitet werden, einen Vertragsbruch zu begehen, das Arbeitsverhältnis mit ihrem Arbeitgeber ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder vor Ende der Befristung zu beenden.

Daraus wird deutlich, dass in diesem Falle die rechtlichen Möglichkeiten, Abwerbungsversuche von vorn herein zu verhindern, gering sind. Ist der Abwerbungsversuch nachweislich unlauter und damit unzulässig, kommen allerdings gegen den Abwerbenden Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche in Betracht, die – allein schon aus Gründen der zukünftigen Abschreckung – dann auch konsequent verfolgt werden können und sollten.
Verfasst von:
Dr. Maus
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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12. November 2014