Die Entlassung von der Intensivstation mit invasiver außerklinischer Beatmung gleicht mitunter einem Glücksspiel

Noch zur Jahrtausendwende war den meisten Ärzten und Pflegenden auf deutschen Intensivstationen nicht bekannt, dass Patienten, die nur mit maschineller Unterstützung atmen können, nach Hause entlassen und dort gepflegt werden können. Im Krankenhaus können Patienten mit invasiver Beatmung nämlich nur auf Intensivstationen und keinesfalls auf Normalpflegestationen betreut werden. Auf Intensivstationen stehen neben der technischen Ausstattung mit Geräten und Überwachungsanlagen hierzu rund um die Uhr Fachkrankenschwestern und -pfleger für Anästhesie und Intensivmedizin zur Verfügung. Zudem ist 24h pro Tag ist ein fachkundiger Arzt vor Ort, der die Behandlung der beatmeten Patienten steuert. Die Weiterbildung für den speziellen Bereich der Intensivpflege hat nach dem eigentlichen Pflegeexamen und entsprechender Berufserfahrung noch eine weitere zweijährige Ausbildungszeit mit abschließender Prüfung in Anspruch genommen.Nur in speziellen Fachkliniken, die Patienten mit chronischer Atmungsschwäche oder mit Querschnittsyndrom betreuen, sind die erforderlichen Kenntnisse über die außerklinische Beatmung und die Notwendigkeit ihrer akribischen Vorbereitung und Organisation vorhanden. In diesen Kliniken arbeiten meistens noch zusätzliche Fachkräfte, wie z.B. Atmungstherapeuten, die für diesen besonderen medizinisch-pflegerischen Versorgungsbereich ausgebildet sind.

Wird ein Patient mit invasiver Beatmung einfach von einer Intensivstation ohne Kenntnis der außerklinischen Situation entlassen, kann sich die Versorgung und auch der Behandlungszustand erheblich verschlechtern. Ohne intensive Vorbereitung und Planung gleicht die Entlassung in den außerklinischen Bereich einem Roulettespiel. Im Idealfall gerät der Patient an einen qualifizierten Pflegedienst, der ihn hervorragend versorgt. Dieser Pflegedienst setzt speziell geschultes und weitergebildetes Personal ein, das über alle erforderlichen Kenntnisse zur Pflege beatmeter Menschen verfügt. Im ungünstigen Fall gerät er an einen ambulanten Pflegedienst, der nicht mit den Besonderheiten der Beatmungspflege vertraut ist. Die sogenannte Behandlungspflege darf nämlich vor dem Gesetz jeder ambulante Pflegedienst anbieten. Für den beatmeten Menschen kann dies tödliche Auswirkungen haben, immer wieder berichtet die Presse von solchen Ereignissen.

Seit vielen Jahren weist die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB e.V.) darauf hin, dass nur speziell qualifizierte Pflegekräfte beatmete Menschen zu Hause betreuen dürfen. Die Anforderungen an die Qualifikation wurden in der deutschen AWMF S2 Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ publiziert. Mittlerweile wurden von der DIGAB entsprechende Curricula für die Weiterqualifizierung ausgearbeitet, und von der DIGAB zertifizierte Bildungsanbieter qualifizieren seit ca. 3 Jahren „Pflegefachkräfte für außerklinische Beatmung“ und „Pflegeexperten für außerklinische Beatmung“.
Kostenträger verlangen zwar mittlerweile von ambulanten Pflegediensten, die Behandlungspflege im Bereich der außerklinischen Beatmung anbieten wollen, Nachweise über die Weiterbildung des Personals in Form von Zusatzvereinbarungen. Allerdings berufen sich einige Pflegedienste immer wieder auf die Freiwilligkeit. Eine gesetzliche Verpflichtung zur speziellen Qualifikation im Bereich der Beatmung gibt es nicht.

Verantwortungsbewusste Pflegedienste und Medizintechnikhersteller, fachkundige Ärzte und Pflegende aus den Beatmungszentren, sowie Angehörige und Selbsthilfegruppen haben sich in den vergangenen        Jahren immer wieder nicht nur an die DIGAB, sondern auch an die Politik in Bund und Ländern gewandt. „Es ist dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber festlegt, wer beatmete Patienten nach der Entlassung pflegen darf“, so die Vorstandsmitglieder der DIGAB e.V. „Wir haben als Fachgesellschaft für außerklinische Beatmung die notwendigen Qualifikationen für Pflegende eindeutig definiert. Die besonderen Qualitätskriterien für eine sichere Versorgung beamteter Patienten müssen Eingang in die Vertragsgestaltung durch Krankenkassen und in die Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen finden. Pflegedienste, die sich nicht an diese Vorgaben halten, müssen von der Versorgung beatmeter Menschen ausgeschlossen werden. Patienten, die zu Hause nicht durch qualifiziertes Personal betreut werden, sind nicht sicher. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus ist unter solchen Bedingungen zu gefährlich.“

Am 11. März 2015 hat sich im Rahmen der aktuellen Überarbeitung der S2 Leitlinie die AG Pflege der DIGAB e.V. in Oberhausen getroffen. Wie auch bei der ersten Version hat sich die AG Pflege erneut eindeutig dafür ausgesprochen, dass nur speziell qualifizierte Pflegekräfte beatmete Menschen versorgen dürfen. Die nächste Version der Leitlinie wird die Qualifikationskriterien weiter schärfen und Qualitätsindikatoren für die außerklinische Versorgung ausarbeiten.
Quelle: DIGAB e.V.

25. März 2015