Atemwegsbakterium als Auslöser für schwere Nervenkrankheit entlarvt

Das Guillain-Barré-Syndrom, kurz GBS, ist eine lebensbedrohliche Erkrankung der Nerven, die zu Empfindungsstörungen und Lähmungserscheinungen führt. Ein Forscherteam hat nun erstmals nachgewiesen, dass Bakterien, die häufig Lungenentzündungen verursachen, die Autoimmunkrankheit GBS auslösen können. Verantwortlich dafür sind Antikörper, die nicht nur die Bakterien, sondern gleichzeitig die Hülle der körpereigenen Nervenzellen angreifen. An den Forschungen waren auch Mitarbeiter der Universität Zürich beteiligt.Bei Forschenden und Medizinern stand das Bakterium Mycoplasma pneumoniae schon länger unter Verdacht. Nun haben Untersuchungen von Forschern der Universität Zürich, des Kinderspitals Zürich und der Erasmus Universität Rotterdam zweifelsfrei bewiesen, dass das Bakterium der Auslöser für die Nervenkrankheit ist. Die sogenannten Mykoplasmen sind nicht nur verantwortlich für Atemwegsinfektionen wie beispielsweise Lungenentzündungen bei Kindern und Erwachsenen, sondern können bei den Betroffenen auch zum Guillain-Barré-Syndrom führen. Den Wissenschaftlern gelang es jetzt erstmals, Mykoplasmen von einem GBS-Patienten im Labor zu kultivieren. Die Antikörper griffen dabei nicht nur die Bakterien, sondern auch die Nervenbahnen an.

Ausschlaggebend dafür ist die große Ähnlichkeit der Strukturen auf der Oberfläche der Bakterien mit körpereigenen Strukturen der Nervenscheiden. Diese führt dazu, dass sich die Immunabwehr sowohl gegen die Mykoplasmen als auch gegen die umhüllende Myelinschicht von Nervenbahnen richtet. Die Antikörper erkennen ein bestimmtes bakterielles Glykolipid: ein Zucker-Fett-Molekül, das auf der Zellmembran der Erreger sitzt. Diese Antikörper binden gleichzeitig an Galactocerebrosid (GalC), einer der häufigsten Bausteine im menschlichen Myelin. Diese fettreiche Substanz stellt die elektrische Leitfähigkeit der Nervenfasern sicher. Wird sie zerstört, kommt es zu Lähmungen an Armen und Beinen, Schwäche und Empfindungsstörungen.

Bereits zuvor wurden bei GBS-Patienten vereinzelt Antikörper gegen GalC nachgewiesen. Tatsächlich reagierten die Anti-GalC-Antikörper in immunologischen Tests am stärksten mit dem vom Patienten entnommenen und im Labor kultivierten Bakterienstamm. Auch weitere Mykoplasmen-Stämme reagierten, wenn auch schwächer, wohingegen andere Bakterienarten nicht erkannt wurden. Somit war der Nachweis der Kreuzreaktivität des Antikörpers erbracht.

Ein Wechsel des Antikörper-Typs ist vermutlich der Auslöser von GBS
Insgesamt untersuchten die Forschenden 189 Erwachsene und 24 Kinder mit GBS auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen Mykoplasmen und GalC, die sie mit einer Kontrollgruppe von 677 Personen verglichen. Dabei fand sich bei 3 Prozent der Erwachsenen und 21 Prozent der Kinder eine kürzliche Mykoplasmen-Infektion – häufiger als bei den gesunden Kontrollpersonen. Nahezu gleich häufig ließen sich im Blut Antikörper gegen GalC nachweisen: bei 3 Prozent der Erwachsenen und 25 Prozent der Kinder. Und auch diese reagierten mit mehreren Bakterienstämmen.

Quelle

2. November 2016