In beiden Studien identifizierten Professor Brendan Jenkins und sein Team den Botenstoff Interleukin 6 (IL-6) als treibende Kraft für den Krankheitsprozess, der über einen als Trans-Signaling bezeichneten Signalweg wirkt. Der Kieler Biochemiker Professor Stefan Rose-John hat diesen Signalweg vor rund 20 Jahren aufgedeckt und ihn im Unterschied zum klassischen Signalweg als Trans-Signaling bezeichnet. Ziel dieser und anderer Studien ist es, weitere Krankheitsbilder zu identifizieren, in denen IL-6 involviert ist. In bisherigen Untersuchungen zu Entzündungen von Darm und Gelenken sowie dem Wachstum von Krebszellen hat sich herauskristallisiert, dass die krankmachenden Wirkungen von Interleukin 6 vor allem via IL-6-Transsignaling vermittelt werden. Dies bestätigen nun auch Jenkins’ Studien zu Lungenkrebs und Emphysem. Trans-Signaling und IL-6 haben sehr bedeutende Wirkungen auf diese beiden Lungenerkrankungen. Sie sind die führenden Regulatoren und können über sgp130FC gezielt beeinflusst werden. Das Protein sgp130Fc ist ein potenter Hemmstoff des IL-6-Trans-Signalings. Es wurde am Biochemischen Institut der Kieler Universität unter Leitung von Prof. Stefan Rose-John entwickelt und wird derzeit als Therapeutikum für Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen klinisch erprobt. Die jetzt vorliegenden Studien zeigen, dass sgp130Fc prinzipiell auch eine Option für die Therapie von Menschen mit bestimmten Lungenkrebserkrankungen (KRAS-Gen-Mutationen) oder mit Emphysem ist.
Das Besondere an sgp130Fc: Es hemmt nicht grundsätzlich alle Funktionen von IL-6, sondern schaltet nur das Trans-Signaling ab, das eine chronische Entzündung auslöst und unterstützt. Andere wichtige Funktionen von Interleukin-6 in der Immunabwehr, im Stoffwechsel und bei der Leberregeneration bleiben weitgehend unberührt. Damit unterscheidet es sich von Molekülen, die Interleukin-6 komplett hemmen wie zum Beispiel der Wirkstoff Tocilizumab, der in der Rheumatherapie eingesetzt wird.
Das Protein sgp130Fc imitiert das natürlicherweise im Blut vorkommende gp130. Durch Verknüpfung von jeweils zwei gp130-Molekülen ist es allerdings wesentlich wirksamer als das natürliche lösliche Protein. Es fängt zusammen mit dem löslichen IL-6-Rezeptor Interleukin-6 im Blut ab. Der Komplex kann somit nicht an das membranständige gp130 binden und kein Trans-Signaling auslösen. Dadurch wird die Entzündung gehemmt.