Atmungstherapeut in der Beatmungspflege

Im Jahr 1997 beendete Tom Miethbauer seine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Bereits vier Jahre später wechselte der 38-Jährige in den Bereich der Intensivmedizin, in dem er bis heute tätig ist. Über viele Jahre sammelte Miethbauer auf unterschiedlichen Intensivstationenseine Erfahrungen. Seit 2012 arbeitet er in der Uniklinik Kiel auf der internistischen Intensivstation und IMC (Intermediate Care) als stellvertretender Stationsleiter. „Dort bin ich hauptsächlich für die Weaningstation, mit derzeit acht Betten und die kardiologische IMC mit ebenfalls acht Betten, zuständig. Meine Fachweiterbildung für Intensivpflege habe ich 2009 erfolgreich abgeschlossen.“
AirMediPlus:
Herr Miethbauer, wann haben Sie sich zum Atmungstherapeuten weitergebildet?

Miethbauer:
Meine Weiterbildung zum Atmungstherapeuten habe ich am 14. März 2014 erfolgreich abgeschlossen.

AirMediPlus
Wie kamen Sie auf die Idee dieser Weiterbildung?

Miethbauer:
In meiner Weiterbildung zum Fachkrankenpfleger für Intensivpflege konnte ich schon sehr viel über Beatmung und das Fachgebiet der Lunge lernen. Zudem arbeite ich seit 14 Jahren auf verschiedenen Intensivstationen, in unterschiedlichen Häusern und Abteilungen. Meine Ausbildung zum Atmungstherapeuten hat mir sehr geholfen, die doch sehr speziellen Themenkomplexe, wie z. B. COPD und Lungenfibrose besser zu verstehen, da diese Inhalte in der Fachweiterbildung meiner Meinung nach zu kurz kamen. Insbesondere das Thema der nicht invasiven Beatmung. Wichtig ist mir, dass auf den Intensivstationen der Einsatz von Intensivrespiratoren bei nicht invasiver Beatmung sorgfältig geprüft wird. Zumal man heute weiß, dass Beatmungsgeräte mit einer Turbine für Patienten mit einer Ermüdung der Atempumpe deutlich besser sind. In der Weiterbildung zum Atmungstherapeuten und in den dazugehörigen Praktika wurden wir intensiv in den unterschiedlichen Möglichkeiten der Beatmung geschult. Das war für mich schon sehr beeindruckend, als „gestandener Fachkrankenpfleger“ festzustellen, dass es deutlich bessere Beatmungs-Therapieverfahren fürchronisch kranke Patienten gibt. Zudem konnte ich erfahren, dass die Patienten, die an einer COPD leiden, mit einem „Turbinengerät“ / Heimbeatmungsgerät deutlich besser therapiert werden können.

AirMediPlus:
Wie lange dauert diese Weiterbildung zum Atmungstherapeuten?

Miethbauer:

Die Weiterbildung umfasst ein-einhalb Jahre mit insgesamt 720 Stunden, die sich wie folgt zusammensetzen: 360 Stunden theoretischer Unterricht, 240 Stunden Praktika, 120 Stunden Selbststudium/Projektarbeiten und E-Learning Einheiten.

AirMediPlus:
Welche spezifischen Inhalte werden in der Weiterbildung vermittelt?Miethbauer:
Lerneinheiten sind unter anderem:
• Themenkomplexe wie z.B. COPD, Asthma, Lungenfibrose, Anatomie & Physiologie, Inhalationstherapie, Beatmungstherapie, Lungenfunktion, Blutgase (BGA), medika-
mentöse Therapie und Sauerstofftherapie
• Invasive und Nichtinvasive Beatmungspraxis
• Weaning
• Konzepte und Theorien klinischer Entscheidungsfindung
• Diagnostische und atmungstherapeutische Maßnahmen
• Trachealkanülenmanagement
• Grundlegende Expertise in der Medizin- und Gerätetechnik
• Physiotherapeutische Behandlungstechniken
• Tabakentwöhnung
• Strategien zur Recherche, Begutachtung und Implementierung von „evidence-based practice“ oder „best practice“ in Bezug auf berufsspezifische Assessmentprozesse, Diagnose-, Therapie-, Pflege- und Betreuungsprozesse
• Patienten- und Angehörigenschulungen, Raucherentwöhnung

AirMediPlus:

Welche Aufgaben haben Sie vor der Weiterbildung auf Ihrer Abteilung
übernommen und was hat sich nach der Weiterbildung geändert?

Miethbauer:
Ich war und bin die stellv. pflegerische Teamleitung der inneren Intensiv- und Weaningstation. Die Aufgabe umfasst unter anderem:
• Planung, Steuerung von Prozessen und
Mitarbeiter/innen
• Verantwortung für die Patientensicherheit und Sicherstellung der Dokumentation sowie die Kontinuität in der Patientenversorgung
• Übernahmen der Koordinierung von Personal und den Stationsabläufen
• Erhaltung und Weiterentwicklung der pflegerischen Standards
• Koordination mit anderen Berufsgruppen und des Teams

Ich bin derzeit nicht als Atmungstherapeut freigestellt. Somit bin ich derzeit weiterhin für die Organisation der Station zuständig und versuche die Tätigkeiten als
Atmungstherapeut in meinem Zeitplan unterzubringen.

AirMediPlus:
Welche Patienten werden von Ihnen therapiert?

Miethbauer
Ich betreue beatmete, nicht invasiv beatmete und generell alle Patien-
ten, die auf der Intensivstation, Weaningstation oder peripheren Station liegen. Diese Tätigkeit umfasst sämtliche Fragestellungen rund um die Beatmung und deren Einstellung. So nehme ich z. B. selbstständig Veränderungen an Beatmungsgeräten vor, die im Vorfeld mit den ärztlichen Kollegen abgesprochen worden sind. Optimierungen in der Versorgung stütze ich unter anderem auf meine langjährige Erfahrung und den mir zur Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten, wie
z.B. der Blutgasanalyse. Des Weiteren führe ich Neueinstellungen auf eine nicht invasive Beatmung nach erfolgreichem Weaning auf unserer Station
durch. Zudem können Atmungstherapeuten folgende Aufgaben und Prozesse begleiten
und übernehmen:
• Beatmungsmanagement, Management (Masken, Kanülen)
• Erstversorgung (NIV, Ambulanz)
• Beratung/Übernahme von Beatmungseinstellungen
• Physikalisch: Atemgasklimatisierung
• Pharmakologie: Aerosoltherapie
• Beratung von Personal und Patienten
• Kontrolle der NIV/verschiedenen Beatmungstherapien
• Prozesssteuerung von Patienten im Prologiertem Weaning
• Unterstützung in der pneumologischen Diagnostik (Interpretation von Röntgen-
befunden, Ultraschalldiagnostik, Therapeutische Bronchoskopien)
• Durchführung, Interpretation von Lun-
genfunktionsmessungen (Spiro, Peak-Flow)
• Koordination verschiedener Fachabteilungen
• Begleitung der Prozessstandards
• Darstellung des Unternehmens nach Außen
• Patientenakquise
• Erlösmanagement (DRG relevante Steuerung)

AirMediPlus:
In welchen Situationen können die Patienten durch die dazugewonnene und hohe Fachexpertise von Ihnen profitieren?

Miethbauer:
Ein Patient kam über den Schockraum auf unsere Intensivstation. Dieser hatte eine akute Exazerbation seiner COPD. Die Ärzte wollten den Patienten sofort intubieren, da die klinischen Zeichen dieses erforderlich machten:
BGA: PH 7,12; CO2 88 mmHg; O2 42 mmHg, der Sauerstoffbedarf des Patienten lag bei 6 Litern/O2

Auch wenn die Diagnose eine sofortige Intubation gerechtfertigt hätte, habe ich in Absprache mit den Ärzten die Alternative einer NIV besprochen, um den Patienten vor der Intubation zu bewahren. Eine Intubation hätte sicher eine Langzeitbeatmung mit anschließender Tracheotomie nach sichgezogen. Durch eine intensive Betreuung und Behandlung nach einer Viertelstunde konnte ich den Patienten stabilisieren. Dieser war dann für den Tag meine Hauptaufgabe, da Patienten mit einer NIV-Beatmung mit extremem Zeitaufwand verbunden sind. Mit meinen pflegerischen und ärztlichen Kollegen habe ich dann die weitere Therapie besprochen. Unser Patient ist um die Intubation herumgekommen und ist mit einem nicht invasiven Beatmungsgerät nach zwei Wochen gesund aus der Klinik entlassen worden.

AirMediPlus:
In welchen Settings verorten sich Atmungstherapeuten?

Miethbauer:
Offiziell gibt es den Atmungstherapeuten als eigenständigen Beruf noch
nicht. Eine Voraussetzung ist immer eine Ausbildung in einem medizinischen Bereich, mit der erworbenen Zusatzqualifikation. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Atmungstherapeuten immer unter der „Supervision“ eines Facharztes für Pneumologie tätig sind. Ich denke, dass sich in den kommenden Monaten/ Jahren ein eigenständiges Berufsbild ergeben wird, denn die Fachexpertise ist aus meiner Sicht unerlässlich. Zudem ist in allen Bereichen eindeutlicher Rückgang von gut ausgebildetem Personal zu verzeichnen. Um die Attraktivität und Verantwortung in der Pflege zu stärken, ist eine Weiterentwicklung mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation unabdingbar, ähnlich wie bei den Physio- oder Ergotherapeuten. Wichtig ist mir, dass nur ein gut zusammenspielendes Team aus verschiedenen Fachabteilungen in der Lage ist, das beste Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

AirMediPlus:
Vielen Dank für das Gespräch.

11. Februar 2016