Außerklinische Beatmung und Strafrecht – das passt zusammen?

Man mag zunächst zweifeln. Bei etwas Recherche zeigen sich aber doch einige denkwürdige Fälle. Da gibt es die Inhaberin eines Pflegedienstes und Pflegedienstleitung, die Mitarbeiter eingesetzt hatte, die formal geringer qualifiziert waren, als dies mit der Krankenkasse vereinbart war. Über die Bedeutung des Wortlautes des Vertrages hätte nman noch streiten können. Die Pflegedienstleitung räumte aber ein, den Vertrag so verstanden zu haben, dass das Personal der dort beschriebenen Qua lifikation bedurfte. Dass der Patient ordnungsgemäß versorgt wurde, ist dann leider unerheblich. Es ist alleine auf die formal vereinbarte Qualifikation und das Unterschreiten dieser Vereinbarung abzustellen. Urteil: Betrug in zahlreichen Fällen und eine Haftstrafe von vier Jahren (Bundesgerichts-hof, Urteil vom 16. Juni 2014, 4 StR 21/14). Auch für andere Mitarbeiter, die an der Abrechnung mitwirken, besteht in ähnlichen Fällen ein strafrechtliches Risiko.
Aber ein Risiko als einfache Pflegekraft? Eine Pflegekraft ist in der außerklinischen Beatmungspflege tätig. Neben pflegerischen Tätigkeiten wird dabei von ihr auch hauswirtschaftliche Unterstützung erwartet. Sie geht in den Keller, um Wäsche zu waschen. Daher nimmt sie den Warn ton des Beatmungsgerätes nicht wahr, die Patientin verstirbt an Sauerstoffmangel. Verurteilung: wegen fahrlässiger Tötung, eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,– Euro und Berufsverbot für 3 Jahre. Das Landgericht bestätigt später diese Entscheidung (Amtsgericht München, Urteil vom 13.07.2009, 814 Ds 11305/08). Als Angehöriger kann man sich nur vermeintlich entspannen, auch wenn man die eigentliche Pflege den Profis überlässt. Auch nahe Angehörige, gesetzliche Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte können strafrechtlich sogenannte „Garanten“ für den Patienten sein. Dies führt zu diversen Prüf- und Handlungspflichten für den Garanten, deren Verletzung zu einer Strafbarkeit führen kann. Bange machen gilt nicht! Ganz klar: Dies sind Einzelfälle. Die „strafrechtlichen Ausrutscher“ befinden sich zahlenmäßig irgendwo im Promille bereich einer Vielzahl von Patientenkontakten pro Tag. Die oben genannten Fälle zeigen aber auch, dass die Konsequenzen eines tatsächlichen oder vermeintlichenFehlverhaltens drastisch sein können.Reden ist Silber…
Beschuldigte strafrechtlicher Vorwürfe, egal ob als Pflegekraft, Angehörige oder in anderer Funktion, tun gut daran, keine Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden (z. B. Polizei, Staatsanwaltschaft) zu machen. Als Beschuldigter muss man nie etwas aussagen. Als Zeuge muss man nur vor dem Staatsanwalt oder dem Gericht aussagen, nicht vor der Polizei, Angaben zu den eigenen Personalien ausgenommen. Das praktische Vorgehen der Ermittler ist sehr unterschiedlich. Es gibt zahlreiche, äußerst korrekt vorgehende Polizeibeamte, es gibt den „Kumpeltyp“ („Wir nehmen nur rasch ihre Aussage auf, dann ist das erledigt und Sie haben den Kopf wieder frei.“), in Einzelfällen auch Drohungen, dann oft als sachliche Aufklärung versteckt („Wenn sie jetzt nichts sagen, lasse ich Sie in Untersuchungshaft nehmen …“). Man sollte sich immer klar machen, dass der ermittelnde Polizeibeamte ein Profi in seinem Bereich ist, der vorrangig einen Beschuldigten überführen möchte. Auch ein „unverbindlicher Plausch“ gegen über Polizeibeamten sollte vermieden werden, derartiges Geplauder findet sich später sorgfältig dokumentiert in der Ermittlungsakte wieder.

Ja, aber…
… wenn ich unschuldig bin, kann ich doch mit der Polizei sprechen? Das ist theoretisch betrachtet richtig. In der Praxis habe ich leider schon zu viele Akten gesehen, in der vermeintlich unschuldig Beschuldigte oder gar ein Zeuge „fröhlich losplaudern“ und dabei Straftaten gestehen, an die ein juristischer Laie schlicht nicht ansatzweise gedacht hat. Das ist bei einer fast unüberschaubaren Anzahl strafrechtlicher Regelungen auch kein Wunder. Auch wer gerade noch Zeuge ist, kann zwei Aktenblätter weiter zum Beschuldigten werden.

Was dann?
Der sicherste Weg ist es, überhaupt nicht auszusagen. Sofern man als Beschuldigter einer Straftat in Betracht kommt, ist es auch sinnvoll, einen strafrechtlich versierten Anwalt zu mandatieren. Dieser hat die Möglichkeit, die vollständige Ermittlungsakte einzusehen, also die Tatvorwürfe detailliert nachzuvollziehen. So kann eine schriftliche Stellungnahme abgegeben werden. Häufig erfolgt dann eine Einstellung des Verfahrens.

Rechtsanwalt Guido C. Bischof, Fachanwalt für Medizinrecht
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Quelle: AirMediPlus Ausgabe 2/16

21. Oktober 2016