Bleibt das Lungenwachstum von den Folgen einer Mangelernährung verschont?

Bisher bekannt ist, dass eine Mangelernährung der Mutter während der Schwangerschaft, die Lungenfunktion ihres Kindes nach der Geburt direkt oder auch indirekt beeinflusst. Die Folgen sind: Verzögertes Allgemeinwachstum des Kindes, geringeres Geburtsgewicht oder eine zu frühe Geburt. Nachweislich negative Auswirkungen hat auch ein Vitamin-A-Mangel während der Schwangerschaft. Demgegenüber stehen das Stillen und eine ausgewogene Ernährung in der Kindheit, die sich positiv auf die Lungenfunktion auswirken. Umso überraschender ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, das besagt, dass die Lungenfunktion von Kindern zwischen 7 und 15 Jahren nicht unter Mangelernährung leidet.Bei der Studie wurden 237 Kinder im Alter von 7 bis 15 Jahren in Malawi untersucht, die vor einigen Jahren eine Hungersnot erlitten und überlebt hatten. Untersucht wurde die Lungenfunktion und Sauerstoffsättigung des Blutes sieben Jahre nach der Hungersnot. Die Ergebnisse wurden mit den Werten gleichaltriger Kinder verglichen, die nicht unterernährt waren. Bei den unterernährten Kindern konnten weder Einbußen in der Lungenfunktion noch in der Sauerstoffsättigung festgestellt werden. Allerdings wiesen die Kinder Defizite in der Körpergröße auf, zudem waren ihre Beine deutlich kürzer.

Die Studienautoren schlussfolgern daraus, dass der menschliche Organismus unter Bedingungen der Mangelernährung offenbar das Lungenwachstum mit hoher Priorität fortführen kann und dafür andere Entwicklungsprozesse drosselt. Somit bliebe die Lunge von den Auswirkungen der Fehlernährung verschont, auf Kosten der Beinlänge, die unter diesen Bedingungen weniger überlebenswichtig als die Lungenfunktion erscheine. Die Studienautoren sprechen deshalb von einem Lungen schonenden Wachstum (lung sparing growth) – analog zu einem Gehirn schonenden Wachstum (brain sparing growth), das im Rahmen der sogenannten „Thrifty Phenotype Hypothesis“ (Sparsamer-Phänotyp-Hypothese) über den Zusammenhang zwischen den Ernährungsbedingungen in der frühen Kindheit und dem Krankheitsrisiko im späteren Erwachsenenalter genannt wurde (siehe American Journal of Human Biology 2011, Band 23/1, Seite: 65–75).

Künftige Studien sollen nun zeigen, ob diese “lung sparing growth-Hypothese“ Bestand hat und dazu dient die Art der Mangelernährung in Abhängigkeit vom jeweiligen Alter unterernährter Kinder genauer zu untersuchen. Zumal man weiß, dass die Lungenentwicklung altersabhängig ist und Lungenbläschen nicht nur während der fötalen Entwicklung im Mutterleib, sondern auch noch in der frühen Kindheit bis zum Ende des zweiten Lebensjahres gebildet werden.

Quelle

19. Juni 2017