Das Patientenwahlrecht

Sowohl in der gesetzlichen Kranken- als auch Pflegeversicherung taucht immer wieder das Schlagwort des Patienten-wahlrechts auf. Je nach Blickwinkel scheint es unterschiedliche Auffassungen zu geben, was Patientenwahlrecht tatsächlich bedeutet. Kranken- und Pflegekassen haben zum Teil andere Auffassungen als der Patient oder der ihn versorgende Pflegedienst oder Hilfsmittelversorger. Nachstehend sollen daher im Einzelnen einige Facetten zum Thema Patientenwahlrecht dargelegt werden, um so auch ggf. bestehende Missverständnisse auszuräumen.Der Begriff des Wahlrechts des Patienten oder auch des Wunsch- und Wahlrechtes des Patienten findet sich im Sozial-gesetzbuch an verschiedenen Stellen. Dahinter steht grundsätzlich der Gedanke, dass der Patient im Rahmen seiner Autonomie selbst entscheiden oder zumindest mitentscheiden soll, durch wen er versorgt wird. Gerade in den sensiblen Bereichen Kranken- und Pflegeversicherung hat insoweit das Patientenwahlrecht eine besondere und wichtige Bedeu-tung. Gesetzlich normiert ist z. B. ausdrücklich die freie Arztwahl in § 76 SGB V. Ebenso findet sich für den Bereich der Hilfsmittel, dass jeder Versicherte die freie Wahl unter den Vertragspartnern der Krankenkassen hat, vgl. § 33 Abs. 6 SGB V. Diese beiden Beispiele machen deutlich, dass es dabei immer um die Frage geht, welchen Versorger ein Versi-cherter in Anspruch nehmen kann. Typisch dafür ist jedoch, egal ob es sich um Ärzte, Sanitätshäuser, Pflegedienste und andere Leistungserbringer handelt, dass diese im System der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung berechtigt versorgen dürfen. Hierzu haben diese eine Zulassung, Präqualifizierung und/oder in der Regel bestimmte Verträge abgeschlossen, aus denen sich die Versorgungsberechtigung ergibt.

Das Wahlrecht des Patienten, einen ärztlichen oder nichtärztlichen Leistungserbringer auszusuchen, ist also auf die im System der gesetzlichen Sozialversicherung tätigen Leistungserbringer beschränkt. In der Regel ist davon auszugehen, dass bei der Auswahl eines nicht im System der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung tätigen Versorgers auch keinen Anspruch gegenüber der Kranken- oder Pflegeversicherung besteht. Typisches Beispiel hierfür ist das Aufsuchen eines rein privatärztlich tätigen Arztes. Für diese Kosten muss die Krankenversicherung in der Regel nicht aufkommen.

Diese gesetzlich normierten Patientenwahlrechte können durch die Kranken- oder Pflegeversicherung nur in sehr engen Grenzen eingeschränkt werden. Für eine solche Einschränkung muss typischerweise eine gesetzliche Regelung vorlie-gen. Ein in den vergangen Jahren besonders oft vorkommendes Problem sind die Ausschreibungen der Krankenkassen über Hilfsmittel. Diese finden in verschiedensten Versorgungsbereichen, wie z. B. Inkontinenz, Sauerstoffversorgung, CPAP-Versorgung oder Elektrostimulationsversorgungen, statt. Im Ergebnis werden im Rahmen einer solchen öffentli-chen Ausschreibung von einer Krankenkasse die Versorgungen in einer bestimmten Region für bestimmte Hilfsmittel an einen Exklusivpartner vergeben. In diesen Fällen ist das Wahlrecht des Patienten gesetzlich aufgehoben, da nur der Ausschreibungsgewinner versorgen darf. Hiervon bestehen zwar Ausnahmen, die in der Regel jedoch schwer durchzu-setzen sind.

Neben dem Recht des Patienten, sich den versorgenden Leistungserbringer im System der Kranken- und Pflegeversicherung auszusuchen, finden sich noch andere Wunsch- und Wahlrechte. Beispielhaft heißt es in § 33 SGB I (Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuches), dass den angemessenen Wünschen der Berechtigten entsprochen werden soll, wenn der Inhalt von Rechten nicht im Einzelnen konkret bestimmt ist. Dies korrespondiert mit dem Wunsch- und Wahlrecht in § 9 SGB IX (dem Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen), dass den berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen werden soll. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jedem Wunsch Rechnung getragen wird, sondern nur angemessenen und berechtigten Wünschen, die sich also im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen bewegen. Nachstehend wird das am Beispiel der Versorgung mit Hilfsmitteln dargelegt. Dort findet sich in der Hilfsmittelrichtlinie (§ 6 Abs. 6 Hilfsmittelrichtlinie), dass der Versicherte die Wahl zwischen gleichgeeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln hat und seinen angemessenen Wünschen entsprochen werden soll. Wichtiges Kriterium ist also schon die Frage der Eignung und der Wirtschaftlichkeit des Wunsch- und Wahlrechtes.

Im Rahmen der Hilfsmittelversorgung spielt des Weiteren eine Rolle, dass einerseits eine ärztliche Verordnung vorliegt und andererseits der Hilfsmittelversorger die Versorgung durchführen soll. Dabei gibt die Hilfsmittelrichtlinie vor, dass der verordnende Arzt die sogenannte Produktart auf seiner Verordnung angibt und der Hilfsmittelversorger dann das konkrete Produkt eines bestimmten Herstellers aussucht. Der Arzt verordnet also z. B. einen stationären netzabhängigen Sauerstoffkonzentrator. Das versorgende Sanitätshaus sucht dann das einzelne Produkt eines bestimmten Herstellers aus, das diesen ärztlichen Vorgaben entspricht. Der Richtliniengeber geht somit davon aus, dass den Hilfsmittelversorgern die nötige Kompetenz obliegt, dass im Einzelfall richtige Produkt eines bestimmten Herstellers auszusuchen. Selbst wenn also dem einzelnen Versicherten ein Wahlrecht zwischen gleichgeeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln zusteht, ist die ebenso vom Gesetzgeber gewünschte Auswahl durch den Hilfsmittelversorger zu berücksichtigen.

Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile schon alleine im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen ca. 20.000 Hilfsmittel gelistet sind und daneben noch eine Vielzahl von Hilfsmitteln bestehen, die nicht gelistet wurden, je-doch trotzdem in der Leistungspflicht stehen, ist die Kompetenz und Erfahrung des Versorgers von erheblicher Bedeu-tung. Insoweit sollten sich Hilfsmittelversorger und Patient auf jeden Fall austauschen, wenn besondere Wünsche des Patienten bestehen.

Gerade im Homecarebereich, in der Pflege oder bei der häuslichen Krankenpflege ist es wichtig, dass die betreuenden Mitarbeiter vor Ort einen guten Kontakt zum Patienten haben. Hierbei handelt es sich häufig um dauerhafte Versorgun-gen, zum Teil in sehr sensiblen Bereichen. Diese Versorgungsbereiche sind daher neben allen juristischen Fragestellungen von einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Patient und einzelnem Mitarbeiter geprägt. Daher stellt sich die Frage, ob dem Patient bezüglich eines konkreten Mitarbeiters ein entsprechendes Wunsch- und Wahlrecht zur Seite steht.

In den vorgenannten rechtlichen Grundlagen findet sich hierzu nichts. Die Vorschriften betreffen insbesondere das Ver-hältnis zu den Sozialversicherungsträgern, da über das Patientenwahlrecht die Rechte der Versicherten gegenüber der Sozialversicherung gewahrt werden sollen. Es handelt sich um typische gesetzliche Schutzregelungen im Verhältnis zwischen Bürger und Hoheitsträgern, wie es die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen sind. Daraus resultiert im Ergebnis für die Beziehungen zwischen Versorgern und Patienten, dass ein konkretes Auswahlrecht bezüglich eines einzelnen Mitarbeiters sicherlich nicht besteht. Andererseits ist es in solch sensiblen Versorgungsbereichen jedoch sinnvoll, Probleme auf dieser Ebene nicht einer juristischen Lösung zuzuführen, sondern auf Ebene der Kommunikation zu lösen. Soweit also Unstimmigkeiten in diesem Verhältnis auftreten, und zwar unabhängig ob z. B. der Mitarbeiter eines Pflegedienstes diesen Eindruck hat oder ob der zu versorgende Patient den Eindruck hat, empfiehlt es sich Mechanismen zu schaffen, wie mit solchen Situationen umgegangen wird.

Abschließend kann also festgehalten werden, dass das Patientenwahlrecht somit dem Schutz und den Interessen der Patienten dient, wenn sie im Rahmen ihrer Privatautonomie einen der verschiedenen Leistungserbringer wie Ärzte, Pfle-gedienste oder Homecareanbieter wählen. Zur Durchsetzung der Wahlrechte müssen Patienten oder deren Angehörige selbst initiativ werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass diese Rechte untergehen.

Lünen, den 06.01.2015
gez. Jörg Hackstein, Rechtsanwalt

11. Februar 2015