Nach einem Reha-Aufenthalt im August 2010 wurde Herr Engel als arbeitsunfähig entlassen. Im selben Jahr unternahm das Ehepaar auch seinen letzten gemeinsamen großen Urlaub: Es ging wie jedes Jahr mit den Fahrrädern auf große Tour. Diesmal waren die Dolomiten das Reiseziel. „Für uns war es immer etwas Besonderes, mit den Fahrrädern unterwegs zu sein“, erzählt Wolfgang Engel. „Unsere allerletzte Tour haben wir dann von Mann heim nach Gelsenkirchen gemacht, um unsere Zweiträder nach Hause zu bringen“, so Engel.
Im Ruhrgebiet angekommen, kümmerte sich der gelernte Industriekaufmann um alle Dinge, die er bei den Ämtern und Behörden beantragen musste. Er organisierte sich selbst seinen Schwerbehindertenausweis und stellte immer wieder Anträge, die er für sein „neues“ Leben benötigte. Im November 2011 bekam Herr Engel seinen ersten Rollstuhl. „Meine Beine machten schlapp und ich konnte nur noch mit Hilfe ein paar Schritte gehen“, erinnert sich Wolfgang Engel. Im Frühjahr 2012 wurde Herr Engel mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert und blieb dort 50 Tage lang.
Pflegedienst entlastet das Ehepaar im Alltag In dieser Zeit bildeten sich seine Muskeln so stark zurück, dass seine Frau ohne seine Mithilfe die Pflege zu Hause alleine nicht mehr schaffte. „Ich wurde tracheostomiert entlassen“, so Engel „und meine Frau und ich kümmerten uns mit Hilfe der Krankenkasse darum, einen geeigneten Pflegedienst zu finden, der uns unterstützt.“ Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit anderen Pflegediensten kam Familie Engel zur Familien- und Krankenpflege in Bochum. „Hier fühlen wir uns beide gut aufgehoben“, sagt Karin Engel, „für mich ist es eine richtige Entlastung zu wissen, dass Fachpflegepersonal bei uns im Haus ist. Ich kann in Ruhe einkaufen gehen, Freunde treffen und nachts vor allen Dingen schlafen.“
Unterstützung auch im Freundeskreis
Auch Ihr Freundes- und Bekanntenkreis steht hinter dem Ehepaar aus dem Ruhrgebiet. „Wenn ich mal etwas zu erledigen habe und Hilfe brauche, dann genügt oft ein Anruf und es kommt jemand vorbei“, freut sich Frau Engel. „Unsere beiden Söhne besuchen uns ja auch regelmäßig und schauen nach dem Rechten“, pflichtet Herr Engel bei, „einer der beiden ist sogar in eine Wohnung schräg gegenüber gezogen, damit er sofort da ist, wenn er gebraucht wird.“
Seine Hobbys pflegt Wolfgang Engel auch weiterhin: Lesen ist seine Leidenschaft und über einen PC, der mit einem großen Bildschirm verbunden ist und direkt gegenüber von seinem Bett an der Wand hängt, ist er ständig mit der Außenwelt verbunden. „Hier kann ich auch telefonieren und E-Mails schreiben oder Skat spielen“, freut sich Engel, „einmal die Woche kommt auch ein Freund vorbei und wir spielen eine Partie Schach.“
Ein großer Wunsch des 62-Jährigen ist es, dass sein Zustand noch lange so bleibt, wie er momentan ist: „Und ich kann mir gut vorstellen noch einmal mit meiner Frau in den Urlaub zu fahren, vielleicht an die Nordsee. Wir sind jetzt 41 Jahre verheiratet und 50 Jahre sollen es noch werden“, bemerkt der Gelsenkirchener. Kleine Ausfahrten mit dem E-Rolli hat das Ehepaar schon unternommen. „Wir waren letzte Woche das erste Mal in der Stadt und haben uns mit Freunden getroffen. Auch unseren Schrebergarten haben wir mal wieder gemeinsam besucht“, erzählt Karin Engel. Der Pflegedienst war natürlich immer dabei, denn ohne Beatmungsgerät und geschultes Personal geht es nicht mehr.
Anderen Betroffenen möchte Wolfgang Engel Mut machen, ihre Krankheit anzunehmen und mit ihr zu leben. „Man kann auch sehr gut mit einer Krankheit leben“, weiß der Schachspieler, „ALS bedeutet für mich: alles locker sehen! Außerdem gibt es doch diesen Spruch: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos, bei mir ist es genau anders herum“, lacht Engel, „die Lage ist hoffnungslos, wird aber nicht ernst genommen“.