Um die Aktivität von tumorbekämpfenden Zellen zu kontrollieren, arbeiten im Organismus die sogenannten T-Zellen zur Regulierung mit. T-Zellen bremsen die Abwehrzellen, was als Immuntoleranz bezeichnet wird. Ein Wissenschaftlerteam um Dr. Rudolf Kaaks und Dr. Sebastian Barth vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hat nun herausgefunden, dass sich das Risiko für Lungenkrebs bei einer ausgeprägten Immuntoleranz stark erhöht. Damit konnte erstmals belegt werden, dass individuelle Unterschiede in der Immuntoleranz das Entstehen bestimmter Krebsarten beeinflussen.
Die leitende Forschungsfrage lautet: Wie entgehen die Krebszellen den Angriffen des Immunsystems, sodass ein bösartiger Tumor entstehen kann? Frühere Untersuchungen konnten bereits zeigen, dass sich Krebs besonders dort aggressiv ausbreitet, wo in Tumornähe ein ungünstiges Verhältnis von aktiven und bremsenden Immunzellen vorliegt.
Da am Deutschen Krebsforschungszentrum in Zusammenhang mit der sogenannten EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) auch der Zusammenhang zwischen Krebs und Ernährung untersucht wird, konnten die Forscher umfangreiche medizinische Daten und Blutproben von rund 1000 Studienteilnehmern analysieren, die an verschiedenen Krebsarten erkrankt waren. Es wurde das Verhältnis von bremsenden T-Zellen zur Gesamtzahl der Immunzellen errechnet (als „ImmunoCRIT-Wert“ bezeichnet). Dabei zeigte sich, dass ein sehr hoher Wert, der mit einer starken Drosselung assoziiert ist, das Lungenkrebsrisiko verdoppelt. Das Risiko für Dickdarmkrebs steigt in diesem Zusammenhang ebenfalls, etwa um 60 Prozent. Frauen mit einem hohen ImmunoCRIT-Wert haben ein drei Mal größeres Risiko an Brustkrebs zu erkranken.
Da das ungünstige Verhältnis der Immunzellen bereits vor dem Krankheitsausbruch vorlag, kann es als Ursache und nicht als Folge einer Krebserkrankung anerkannt werden. Die Wissenschaftler wollen in Zukunft untersuchen, warum die Immuntoleranz nur bestimmte Krebsarten betrifft.
19. November 2015