Im Fokus: Ein Jahr Neugeborenen-Screening auf SMA

Im Fokus: Ein Jahr Neugeborenen-Screening auf SMA


Seit Oktober 2021 werden Neugeborene in Deutschland im Rahmen der allgemeinen Screening-Angebote auch auf den Gendefekt für spinale Muskelatrophie (SMA) getestet. Das Neugeborenen-Screening ist auf Antrag der Patientenvertretung und maßgeblichen Beteiligung der Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) im gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eingeführt worden. Die SMA ist eine Erkrankung von Nerv und Muskel, die je nach Schwere des Gendefektes unterschiedlich verläuft, sehr häufig sterben schwer betroffene Kinder ohne Behandlung in den ersten beiden Lebensjahren. Da in den letzten Jahren drei Wirkstoffe für SMA zugelassen wurden, können betroffenen Kinder jetzt behandelt werden. Verlaufsdokumentationen zeigen klar bessere Effekte, je eher die Behandlung beginnt. Daher ist das Neugeborenen-Screening (NBS) von höchster Bedeutung, bestenfalls können Kinder bereits vor den ersten Symptomen therapiert werden.

Die ersten Ergebnisse des bundesweiten Neugeborenenscreening auf SMA sind nun von Prof. Wolfgang Müller-Felber (Dr. v. Haunersches Kinderspital, LMU München) veröffentlicht worden(1). Es sind 46 Kinder mit dem Gendefekt für SMA identifiziert worden, die dadurch die Chance der wichtigen Frühtherapie erhalten haben. Bereits die Pilotstudien in Bayern und NRW zeigten ganz klar, dass ein früher Therapiebeginn, möglichst noch vor Auftreten erster Symptome, zu einer dramatischen Verbesserung der motorischen Entwicklung dieser Kinder führt (2). Prof. Müller-Felber zeigt sich erfreut, dass der Übergang von den Pilotprojekten zum Routinescreening so gut geklappt hat. Es bleibt allerdings ein Wettlauf mit der Zeit: Schon in den ersten Lebenstagen und -wochen können Nervenzellen der betroffenen Säuglinge ohne Therapie irreversibel absterben und zum Tode bzw. lebenslanger motorischer Einschränkung mit schwerer Behinderung führen.

Die DGM verweist auf die Wichtigkeit des Neugeborenenscreenings (NBS) sowie einer schnellstmöglichen therapeutischen Intervention; die positiven Entwicklungsschritte der betroffenen und behandelten Kinder bestätigen das. Allerdings ist in Einzelfällen die Zeitspanne zwischen Diagnose und Therapie noch zu groß. Gründe hierfür liegen zum Teil in den organisatorischen Abläufen, zum Teil in zeitlichen Verzögerungen beim Kostenträger für Genehmigungsverfahren.

Der dringende Appel der DGM an alle Beteiligten ist, Verzögerungen im Ablauf zu vermeiden, wo immer dies möglich ist. Genehmigungsverfahren durch die Krankenkassen sollten notwendige Behandlungen keinesfalls hinauszögern. Dabei verweist die DGM darauf, dass zeitliche Verzögerungen zum Verlust von Nervenzellen und Muskelkraft führen. Prof. Reinhard Dengler als stellv. Bundesvorstandsvorsitzender der DGM appelliert deshalb dringend an alle Akteure, „die Bedingungen für eine schnellstmögliche Diagnostik, Kostenzusage durch die Krankenkassen und Einleitung der Therapie zu verbessern.“

Das erfordert eine koordinierte Ablaufstruktur, die von Seiten der DGM durch hilfreiche Informationen unterstützt wird. Über die Internetpräsenz www.dgm-behandlungszentren.org stehen diese Informationen aktuell aufbereitet für betroffenen Familien und Leistungserbringer zur Verfügung.

Referenzen:
Müller-Felber W, Blaschek A, Schwartz O, et al. Newbornscreening SMA – From Pilot Project to
Nationwide Screening in Germany. J Neuromuscul Dis 2022 (Januar 2023 Abstract online:
https://content.iospress.com/articles/journal-of-neuromuscular-diseases/jnd221577; Printausgabe
folgt).

Vill K, Schwartz O, Blaschek A, et al. Newborn screening for spinal muscular atrophy in Germany:
clinical results after 2 years. Orphanet journal of rare diseases 2021;16:153.
Hyperlink zum Abstract: https://content.iospress.com/articles/journal-of-neuromuscular-diseases/jnd221577

Hyperlink zum Abstract:
https://content.iospress.com/articles/journal-of-neuromuscular-diseases/jnd221577

Über die DGM
Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) mit Sitz in Freiburg ist mit über 9500 Mitgliedern die größte und älteste deutsche Selbsthilfeorganisation für Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen. Seit über 50 Jahren fördert die DGM die Erforschung der mehr als 800 verschiedenen heute bekannten, teilweise sehr seltenen Muskelerkrankungen. Eine wichtige Aufgabe der DGM ist auch die Beratung und Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen in ihrem Alltag. Über Muskelerkrankungen zu informieren und die Interessen von muskelerkrankten Menschen gesundheitspolitisch zu vertreten, sind weitere zentrale Anliegen der Selbsthilfeorganisation.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM)

Titelbild: Symbolbild

10. Januar 2023