Interview mit Peter Grendel – Alfried Krupp Krankenhaus

Das Behandlungsteam der Abteilung für Weaning am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen-Steele versteht Beatmungsentwöhnung als Bestandteil eines umfassenden Therapiekonzeptes, das den Patienten ganzheitlich wahrnimmt. Das ärztliche und pflegerische Handeln ist darauf ausgerichtet, ihm das Vertrauen in die Fähigkeit zu eigener Spontanatmung in psychischer und physischer Hinsicht wieder zu geben. Wir hatten die Gelegenheit ein Gespräch mit Peter Grendel, pflegerische Bereichsleitung der Beatmungs- und Weaning-Station, zu führen. Peter Grendel hat uns im nachfolgenden Interview einen Einblick in seine tägliche Arbeit gegeben.Zur Person:
Peter Grendel wurde am 24. März 1963 in Essen geboren. Nach dem Abitur begann er eine Ausbildung als Kran kenpfleger im heutigen Alfried Krupp Krankenhaus in Essen-Steele. Seit 1993 ist Peter Grendel Mitarbeiter der Intensivstation, auf der er von 1995 bis 1997 eine Weiterbildung als Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege ab solvierte. 2006 beschloss Grendel, gemeinsam mit dem Abteilungsarzt, Dr. med. Michael Schäfer, einen Schwerpunkt der Arbeit auf die Entwöhnung zu beatmender Patienten zu legen. Infolge dieser Spezialisierung entstand 2012 das Zentrum für Beatmungsmedizin und Weaning in einer eigens dafür ausgestatteten Station. Über seine Arbeit im Krankenhaus hinaus ist der gebürtige Essener Fachdozent im Gesundheitswesen bei der BaWiG (Bildungsakademie und Wissenschaft im Gesundheitswesen) in Essen. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie.

AirMediPlus: Herr Grendel, was heißt eigentlich der Begriff Weaning?

Peter Grendel: Der Begriff Weaning kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „entwöhnen“ oder „abstillen“. In unserem Kontext möchte ich es mit „abtrainieren“ übersetzen. Patienten, die über einen längeren Zeitraum abhängig von einem Beatmungsgerät waren, sollen – indiesem Sinne – vorsichtig von den technischen Geräten entwöhnt werden und lernen, ihre Atemhilfsmuskulatur wieder zu trainieren. Kurz: Auf der Grundlage strukturierter Behandlungspläne geht es um die Be- und Entlastung der Atemmuskulatur. Dies gelingt nur im ganzheitlichen Blick auf den Menschen. Körper und Geist sind gleichermaßen für diesen Prozess wichtig.

AirMediPlus: Beschreiben Sie bitte, was genau Ihre Aufgabe als Bereichsleiter der Beatmungs- und Weaning- Station ist.

Peter Grendel: Meine Aufgaben sind vielfältig. Ich bin zuständig für die prä- und postklinische Netzwerkarbeit rund um die Versorgung beatmeter Patientinnen und Patienten und stehe als erster Ansprechpartner den zuweisenden Kliniken zur Verfügung. Darüberhinaus bin und bleibe ich Intensivpfleger. Mir ist es wichtig, am Stationsleben teilzuhaben und an den Arbeitsprozessen mitzuwirken. Seit ein paar Jahren sitze ich zusätzlich in Gremien mit Chefärzten und Controllern, um Prozessabläufe im Sinne eines optimalen Pflege- und Genesungsprozesses der Patienten zu optimieren. In der Überleitung unserer Patienten arbeite ich eng mit unserem Sozialdienst zusammen.

AirMediPlus: Was unterscheidet aus Ihrer Sicht die Weaning-Station von der normalen Intensivstation?

Peter Grendel: Anders als auf einer Intensivstation ist die Atmosphäre auf der Weaning-Station nicht mehr allein aufs Überleben, sondern auch auf den Lebensalltag und die Lebensqualität ausgerichtet. Das Erleben des Tag- und Nachtrhythmus spielt dabei ge nau wie der Blick aus dem Fenster, das Betrachten von Bildern an der Wand oder die Möglichkeit, Fernsehen zuschauen, eine wichtige Rolle. Der Wegfall vieler Überwachungsgeräte und ihrer Signaltö ne schafft erstmals wieder Raum und Ruhe für die Selbstwahrnehmung des Patienten. Mit dem Zurückfahren der maschinellen Beatmung, der Sauerstoffzufuhr, des Beatmungsdrucks und der gesamten Beatmungszeit sowie der Mobilisierung der Patienten bei der Körperpflege und beim Essen soll eine spürbare Perspektive aufgezeigt werden, die nicht überfordert. Ein Prozess, der besonders
dann gut gelingt, wenn Angehörige oder das soziale Umfeld mit einbezogen werden können.

AirMediPlus: Worin unterscheiden Sie sich im Alfried Krupp Krankenhaus in Essen- Steele von anderen Weaning-Stationen?

Peter Grendel: Grundsätzlich unterscheiden wir uns nicht von anderen Weaning -Stationen. Wir haben jedoch den großen Vorteil, dass bei uns Intensiv- und Weaning -Station räumlich nebeneinander liegen und durch ein gemeinsames Pflegeteam mit einer Fachpflegerquote von knapp 55 Prozent betreut werden. Ich kann sagen, wir arbeiten stationsübergreifend Hand in Hand und sind auf alle möglichen Komplikationen der Patienten vorbereitet. Eine weitere Besonderheit in unserem Haus ist die Nutzung der elektronischen Patientenakte. Sie ermöglicht den behandelnden Ärzten, sich – über die regelmäßigen Visiten hinaus – jederzeit von allen Computern im Haus ein Bild  über den Zustand des Patienten zu machen.

AirMediPlus: Welche zeitlichen Erfahrungen haben Sie in dem Genesungsbereich gemacht?

Peter Grendel: Generell kann niemand eine Aussage darüber treffen, wie lange eine Entwöhnungsphase bei einem Patienten dauert. Entscheidend ist immer das individuelle Krankheitsbild. Die Zeit des Wea nings kann wenige Tage, aber auch mehrere Wochen dauern. Und natürlich gibt es auch Patienten, die nicht von der Beatmung entwöhnt werden können. Dann organisieren wir eine Entlassungs konferenz unter Beteiligung aller in der postklinischen Versorgung beteiligten Personen und Institutionen. Dazu gehören der betreuende Hausarzt, der Pfle gedienst, die Kostenträger und Sanitätshäuser und natürlich auch die Angehörigen. Wichtigstes Ziel ist die versorgungslückenfreie Überleitung in die außerklinische Beatmung.

AirMediPlus: Welche Patienten nehmen Sie auf Ihrer Weaning -Station auf?

Peter Grendel: Ist ein Patient nicht mehr intensivpflichtig und sein Kreislauf ohne medikamentöse Unterstützung stabil, sind die Aufnahmekriterien für eine Verlegung auf die Weaning-Station erfüllt. Da nicht jedes Krankenhaus in der Region über eine Weaning-Station verfügt, kommt ein Hauptteil unserer Patienten auf Anfrage anderer Kliniken im Rahmen einer klinischen Übergabe zu uns. Darüber hinaus nehmen wir auch Patienten auf, die nach dem Abschluss ihrer Behandlung in einem Krankenhaus direkt in eine Heimbeatmung gekommen sind. Entscheidend ist in jedem Fall, dass im Dialog mit allen Beteiligten geprüft wird, welche Chancen sich für den einzelnen Patienten durch den Aufenthalt auf der Weaning-Station bieten.

AirMediPlus: Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Arbeit?

Peter Grendel: Ausreichendes Pflegepersonal, noch bessere Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung und die konsequente Fortentwicklung des therapeutischen Teamgedankens.

AirMediPlus Vielen Dank für das Gespräch!

18. Juni 2014