Der IPV Intensivpflegeverband Deutschland veranstaltete am 19. Juli 2024 auf dem Schlossplatz in Stuttgart eine Kundgebung zur aktuell prekären Versorgungssituation in der Außerklinischen Intensivpflege aufgrund der verzögerten Verhandlung der Versorgungsverträgen nach Bundesrahmenempfehlung zu § 132l SGB V
Als Spitzenverband ist der IPV 2022/23 an den Verhandlungen der Bundesrahmenempfehlung beteiligt gewesen. Nach deren Inkrafttreten im Juli 2023 gab es eine Übergangsfrist bis 30. Juni 2024, die allerdings in den Verhandlungen mit Kostenträgern nun in weiten Teilen ergebnislos verstrichen ist. Viele Pflegedienste befinden sich damit in einem vertragsfreien Schwebezustand, der die Versorgung vieler intensivpflichtiger Patientinnen und Patienten gefährdet.
Der IPV setzt sich für eine professionelle und faire und im Interesse der Patientinnen und Patienten vor allem zügige Lösung ein. Hierfür wurden zahlreiche Verhandlungen, unter anderem mit dem Bundesminister für Gesundheit, geführt.
IPV-Landesverbandsvorsitzender Rudi Wiedmann begrüßte die rund 200 Teilnehmenden mit und ohne Beatmung auf dem Schlossplatz in Stuttgart und machte stellvertretend für die Betroffenen und deren Familien sowie den Pflegediensten und ihren Fachkräften seinem Ärger und seinen Sorgen Luft, dass die außerklinische Intensivpflege in den bürokratischen Mühlen zerrieben werde: „Die hohe Verantwortung und dafür notwendige Qualifikation der Mitarbeiter in der außerklinischen Intensivpflege, wo im Gegensatz zur Pflege im Krankenhaus die ärztliche Unterstützung oftmals weit entfernt ist und die Pflegefachkräfte mit ihrer Zusatzqualifikation der oft einzige und entscheidende Kontakt für ihre Patienten sind, wird von den derzeitigen bürokratischen Abläufen nicht anerkannt. Wir arbeiten 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr und wir leben mit unseren Patienten, die wir gut versorgen.“
Durch die Vertragsverhandlungen nach der Einführung des IPReG und des darin verankerten § 132l gewinnen Patientinnen und Patienten und die Leistungserbringer der außerklinischen Intensivpflege zunehmend den Eindruck, nur noch als Kostenfaktor wahrgenommen zu werden, und keinerlei Wertschätzung für die Bedeutung der außerklinischen intensivpflege zu erfahren. In Deutschland werden mehr als 20.000 Menschen, die ohne diese medizinisch-pflegerische Leistung nicht überleben könnten, mit außerklinischer Intensivpflege versorgt. Viele beatmete Patientinnen und Patienten können dabei trotz ihrer Einschränkungen vollwertig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Mit dem IPReG hat der Gesetzgeber 2023 umfassende Regelungen zur Qualitätssicherung und Qualitätserhöhung der Intensivpflege eingeführt. Pflegekräfte und Pflegedienste der außerklinischen Intensivpflege haben sich darauf eingestellt, aber im Gegenzug werden die Leistungen und Finanzierung durch bürokratische Prozesse der Krankenkassen abgesenkt.
Die hochspezialisierten Fachkrankenpflegekräfte sehen darin eine Abwertung ihrer qualifizierten Berufsgruppe und Missachtung der Situation ihrer Patientinnen und Patienten. Das Ziel des IPReG einer Verbesserung der Patientenversorgung wurde bislang nicht erreicht. Stattdessen entstand ein formaler Bürokratriekrieg, der Unklarheiten und Streit um formale Bedingungen der Verhandlungsführung zwischen den Ländern, Kostenträgern und Leistungserbringern verursacht, Patienten verunsichert und Pflegedienste zur Aufgabe der Versorgung treibt. Ängste und Sorgen der Betroffenen bezüglich ihrer weiteren professionellen Versorgung und ihrer Selbstbestimmung sind berechtigt, wenn aus Kostengründen Pflegedienste ihre Leistungen nicht mehr erbringen können.
Martina Wiedmann, 1. Vorsitzende des Intensivpflegeverbands Deutschland IPV e.V., bringt das auf den Punkt: „Es geht um Fairness. Um das respektvolle Miteinander zwischen allen Beteiligten. Der § 132l darf nicht weiter zum Bürokratiemonster werden. Hier ist das Agieren auf Augenhöhe von größter Bedeutung. Für Pflegedienste, Mitarbeitende und Betroffene sowie die Kostenträger gleichermaßen. Der IPV e.V. reicht jedem die Hand, der diesen Paragraphen respektvoll und gerecht umsetzt und seinem Auftrag – nämlich die Versorgung der Menschen mit AKI – in den Mittelpunkt stellt.“
IPV-Vorstand Prof. Dr. Wolfram Schottler klagte an, dass „mit dem Verstreichen der Übergangsfrist am 30.6.2024 alle bisherigen Versorgungsverträge formell unwirksam wurden, aber von den in den letzten zwölf Monaten aufgenommenen 1650 Vertragsverhandlungen nach § 132l SGB V nur 321, in Baden-Württemberg sogar null (!), zum Abschluss kamen, also bundesweit etwa 80 % aller Versorgungen sich aktuell in einem rechtlichen Schwebezustand befinden!
Es könne nicht sein, mit gesetzlichen Auflagen wie dem IPReG und den nachgeordneten Dokumenten AKI-RL und Bundesrahmenempfehlung immer höhere Qualitätsmerkmale, Qualifikationsanforderungen und Prüfkriterien einzuführen, mit der Tarifpflicht die Kosten drastisch zu erhöhen, aber dabei gleichzeitig in der wirtschaftlichen Verhandlung der Versorgungsverträge die Bedingungen permanent zu verschlechtern.
Als IPV appellieren wir an die Politik und die Kostenträger, endlich die notwendigen Veränderungen umzusetzen, um die Pflegedienste nicht davon abzuhalten, ihre Qualifikation wieder Qualität und gute Pflege für die betroffenen Menschen einzusetzen.“
Die fehlende Transparenz in den nur noch um Formaljuristisches kreisenden Verhandlungen und der vielfach nicht mehr nachvollziehbare Umgang haben zu Unsicherheit und Vertrauensverlust bei den Leistungserbringern und den zu versorgenden Familien, aber vor allem bei den Patienten geführt. Dazu kamen betroffene Angehörige zu Wort, die aus ganz praktischer Erfahrung heraus darüber ihrem Ärger und ihren Sorgen Ausdruck verliehen und eindrücklich von ihrem Schicksal berichteten. In ihren Berichten schilderten sie die täglichen Herausforderungen, die sie aufgrund der bürokratischen Hürden und der mangelnden Unterstützung durch das IPReG bewältigen müssen. Sie machten deutlich, wie wichtig es ist, dass die Bedürfnisse und Rechte der Betroffenen in den Vordergrund gestellt werden. Gewürdigt wurde die intensive und persönliche Pflegeleistung, die professionelle, qualitätvolle und unerlässliche Fürsorge darstellt. Daher betonten sie die volle Solidarität mit den Pflegediensten und ihrem Verband IPV, um gemeinsam für bessere Bedingungen zu kämpfen.
Als Gast nahm auch DIGAB-Präsident Christoph Jaschke teil, der in seinem Grußwort anmahnte, dass auf der Kundgebung niemand aus der Politik vor Ort war, denn gerade in Baden-Württemberg spitzt sich die Situation zwischen Pflegedienstleistern und Krankenversicherern nach §132l zu. Am Ende des Tages führt die Verschleppung der nötigen Vertragsabschlüsse zu Versorgungsabbrüchen, und Menschen mit außerklinischer Intensivpflege stehen dann vor dem Nichts – ebenso wie Pflegedienste, die gezwungen sind, ihre Tätigkeit einzustellen und ihre Betriebe zu schließen.
Der IPV fordert fairen Umgang im Versorgungsdreieck von Patient, Pflegedienst und Krankenkasse. Dazu gehören professionelle und qualifizierte Behandlung, wirtschaftliche Bedingungen und die Wiedergewinnung von Vertrauen, um eine gute und qualitativ hochwertige Versorgung weiterhin gewährleisten zu können.
Titelbild: Kundgebung am 19. Juli 2024 auf dem Schlossplatz in Stuttgart. Foto IPV
Quelle Text und Abbildung: IPV Intensivpflegeverband Deutschland
25. Juli 2024