Leben mit dem Duchenne-Syndrom

Leben mit dem Duchenne-Syndrom
Bei seiner Geburt im Jahr 1989 war Moritz Kemp ein ganz normal entwickeltes Baby, die Ärzte konnten keine Auffälligkeiten feststellen –  und auch seinen Eltern fiel in den ersten Lebensmonaten nichts Besonderes auf. „Es war meine Mutter“, erzählt Marina Kemp, Moritz Mutter, „die mir von einer entfernt verwandten Cousine erzählte, deren beide Söhne an dem Duchenne Syndrom erkrankt seien.“ Zu dieser Zeit wusste die Familie noch nicht, was Duchenne bedeutet und ließ ihren Erstgeborenen mit vier Monaten daraufhin untersuchen. Leider war das Untersuchungsergebnis positiv.
Die Ursache der Erkrankung ist ein Defekt im Dystrophin-Gen, der überwiegend an die männlichen Nachkommen weitergegeben wird. Eine Heilung ist bis heute nicht möglich. Die symptomatischen Therapien bemühen sich, den chronischen Krankheitsverlauf und damit die Lebensqualität zu verbessern. Dennoch verlieren die Erkrankten etwa ab dem achten Lebensjahr die Gehfähigkeit. Im weiteren Verlauf der Erkrankung werden auch u.a. Herz- und Atmungsmuskulatur betroffen und erfordern entsprechende Therapien. Eine Skoliose, Seitwärtsverkrümmung des Rückgrats, macht evtl. eine operative Versteifung des Rückgrats notwendig.
„Dadurch, dass wir schon so früh die Diagnose Duchenne bekamen“, erklärt Marina Kemp, „konnten wir mehr auf Moritz und seine Krankheit achten und ihm Erleichterungen verschaffen.“  Moritz besuchte einen Regelkindergarten und eine Regelgrundschule in Essen. Mit 10 Jahren bekam Moritz seinen ersten Rollstuhl. „Das war die erste große Umstellung für mich und ich wollte mich zuerst auch gar nicht damit anfreunden“, erinnert sich der sportbegeisterte junge Mann, „diese körperliche Einschränkung machte es für mich nicht einfacher mit der Krankheit umzugehen, aber ich hab mich nicht unterkriegen lassen.“Die ersten Hürden wurden Moritz in den Weg gelegt, als er auf eine weiterführende Schule gehen wollte. Hier stellte sich heraus, dass ein Schüler im Rollstuhl von den Lehrern nicht überall erwünscht ist. „Ohne die Unterstützung des Direktors hätte Moritz den Platz auf der Bischöflichen Hauptschule in Essen am Stoppenberg nicht bekommen“, weiß Marina Kemp. Hier bekam der Borussia Dortmund Fan ab der achten Klasse einen Integrationshelfer an die Seite gestellt, der ihm bis zur zehnten Klasse bei seinen schulischen Aktivitäten unterstützt hat. Nach dem ersten Schulabschluss war für Moritz klar, dass er das Abitur machen wollte,  deshalb wechselte er auf die Mathias Claudius Schule nach Bochum. Hier bestand er 2010 erfolgreich seine Prüfungen.

„Nach dem Abi war klar, dass ich eine Ausbildung als Bürokaufmann machen wollte“, sagt der 24-Jährige. In Velbert bei “Pro Mobil“ fand er einen geeigneten Ausbildungsbetrieb, bei dem er seine 3-jährige Ausbildung absolvierte und im Sommer 2013 erfolgreich abschloss. „Mit Hilfe eines Arbeitsassistenten, der komplett auf meine Anweisungen hin gearbeitet hat, erledigte ich auch schwierige Aufgaben im Büro. Er hat sozusagen meine Arme ersetzt“, sagt Moritz Kemp. Jetzt sucht der gelernte Bürokaufmann eine geeignete Arbeitsstelle und schreibt fleißig Bewerbungen.Seit zweieinhalb Jahren wird Moritz nachts künstlich beatmet. „Es war gar nicht so einfach, eine individuell angepasste Mund- und Nasenmaske für mich zu finden, aber das Johanniter Krankenhaus in Duisburg hat mir da sehr geholfen“, bemerkt der gebürtige Essener. Auch die jährliche Reha-Kur in der Weser-Bergland-Klinik in Höxter unterstützt den Gesundheitszustand. Seit 2002 fährt Moritz dort regelmäßig von seinen Eltern begleitet hin. „Durch die ganzen Therapien und Anwendungen in der Kur“, erzählt Moritz, „fühle ich mich, als wenn ich dort meinen Akku wieder auflade. Außerdem treffe ich dort viele Bekannte und stelle immer wieder fest, dass ich mit meiner Krankheit nicht alleine bin, sondern sehe auch, wie andere Jungs damit umgehen und ihr Schicksal meistern.“

Familie Kemp ist eine fußballbegeisterte Familie: „Seit dieser Saison habe ich eine Dauerkarte für Dortmund und fahre mit meiner Mutter regelmäßig zu den Heimspielen“, freut sich Moritz. „Auch Auswärtsspiele haben wir schon besucht“, ergänzt seine Mutter, „das letzte war in Wembley, zum Championsleague Endspiel“. „Ich habe meinen Frieden mit der Krankheit gemacht“, sagt der Borussia-Fan, „deshalb versuche ich jetzt das Schöne, was ich noch kann, zu unternehmen und mache das Beste daraus!“Regelmäßig besucht Moritz sein Freizeitassistent, mit dem er ins Kino geht, Konzerte besucht oder einfach mal in die Stadt fährt, um Freunde zu treffen. „Jetzt im Winter nehmen unsere Außenaktivitäten leider immer mehr ab“, bemerkt der Computerfachmann, „weil mir die Kälte sehr viel ausmacht und nicht gut für meine Krankheit ist, da bleibe ich auch schon mal eher zu Hause und spiele am Computer FIFA. Aber ins Stadion gehe ich trotzdem“, lacht der 24-Jährige, „ mit beheizbarem Beinsack, Handschuhen und Armschonern kann mir so schnell nichts passieren“.

19. Februar 2014