Lebensqualität von Patienten mit Locked-in-Syndrom

Eine aktuelle Studie der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden belegt, dass Patienten, die im fortgeschrittenen Stadium der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) unter dem Locked-in-Syndrom (LIS) leiden, ihre Lebensqualität erheblich besser einschätzen als ihre nächsten Angehörigen. Daraus folgern die Dresdner Wissenschaftler, dass sich Ärzte insbesondere bei Fragen zu lebenserhaltenden oder -verlängernden Maßnahmen nicht uneingeschränkt auf den durch die Angehörigen geäußerten mutmaßlichen Willen der Betroffenen verlassen können.Um die selbst empfundene Lebensqualität der LIS/ALS-Patienten zu ermitteln, haben die Dresdner Wissenschaftler erstmals moderne Systeme zur Augensteuerung von Computern genutzt. Dank moderner Remote-Eyetracker, die auch für Computerspiele eingesetzt werden, haben diese Patienten die Möglichkeit, mit der Bewegung ihrer Augen Computer zu steuern und auf diese Weise zu kommunizieren. Denn aufgrund ihres vollständig gelähmten Körpers ist es ihnen nicht mehr möglich, sich mit ihrer Stimme oder mit Gesten mitzuteilen. Die Studie erschien Mitte Januar im „Annals of Neurology“ (DOI: 10.1002/ana.24871).

Im Rahmen der publizierten Untersuchung wurden die LIS-Patienten gebeten, ihre eigene Lebensqualität in einer Werteskala zwischen 0 und 100 Prozent einzuschätzen. Nach Auswertung aller Ergebnisse ermittelten die Forscher einen Durchschnittswert von 80 Prozent. Die Familienangehörigen dagegen bewerteten die Lebensqualität der ihnen nahestehenden Betroffenen lediglich mit 50 Prozent. Die gute Lebensqualität der Patienten scheint dabei auf Kosten einer reduzierten Lebensqualität der Angehörigen selbst zu gehen.

Die Befragten wurden mit neuesten Augensteuerungscomputern untersucht, die eine vollkommen eigenständige Beantwortung aller Fragen ermöglichten, ohne dass Angehörige oder Untersucher Einfluss auf die Antworten nehmen konnten. Weitere Auswertungen zeigten, dass sich die LIS-Patienten mit der eigenen Situation arrangiert haben. Sie akzeptieren, dass sie an einer schweren Krankheit leiden, wohingegen bei den Angehörigen das Verlustdenken im Vordergrund stand. Die Studie zeigte weiter, dass dies auch zu fatalen Fehlentscheidungen führen kann. Derzeit profitieren aber nur wenige LIS-Patienten von den Möglichkeiten der Eyetracking-basierten Kommunikation.

Quelle

17. März 2017