Von der Erkältung zur Lungenentzündung ist es oft nicht weit

Von der Erkältung zur Lungenentzündung ist es oft nicht weit
In Deutschland kommt es im Jahr zu etwa 500.000 Neuinfektionen einer Lungenentzündung. 30 Prozent der Erkrankten müssen sogar im Krankenhaus behandelt werden. Manchmal zieht sich ein Kranker die Lungenentzündung auch erst in der Klinik zu, wo er künstlich beatmet werden muss. Hierbei lassen sich Pneumonien zuweilen kaum vermeiden. Oft leiden Patienten zuerst unter einer „einfachen“ Erkältung, wenige Tage später dann an einer Lungenentzündung. Die moderne Medizin hat allerdings möglicherweise eine Erklärung, warum viele Menschen erst eine Grippe, eine Bronchitis oder eine schwere Erkältung bekommen und sich im Anschluss eine Lungenentzündung einfangen. Meist sind es nicht die Influenza-Viren selbst, die vor allem für Kleinkinder, Ältere und Menschen mit eingeschränkter Immunabwehr gefährlich sind. In vielen Fällen ist es eine sogenannte Superinfektion durch Pneumokokken und andere Bakterien, die schwere Pneumonien auslösen. Dadurch, das sich das Immunsystem erstmal mit einem einzigen Erreger beschäftigt, wird ein „Schlupfloch“ für andere Erreger geschaffen. Österreichische Molekularbiologen haben herausgefunden, warum eine Virusinfektion die Abwehrkraft gegen Bakterien schwächt. Studien zeigten, dass schwere Krankheitsverläufe der viralen Grippe, wozu die Lungenentzündung zählt, meistens nicht vom Virus selbst verursacht werden. Die Pneumonie entsteht tatsächlich vielmehr durch die Immunantwort des Körpers, die ihn anfälliger für Bakterien macht.Es hat den Anschein, so die Wiener Forscher, dass der menschliche Körper es immer nur mit einem „Gegner“ aufnehmen kann: entweder mit einem Virus oder mit einem Bakterium. Die Forscher entdeckten ein Abwehrsystem in den Zellen, das darauf abzielt, unnötige Entzündungsreaktionen bei einer Virusinfektion zu verhindern. Auslöser dieses Ablaufs ist ein Enzym namens Interferon, das bei der Virenabwehr eine sehr wichtige Rolle spielt.

Wenn ein Virus in den Körper eindringt, aktiviert Interferon sofort etliche Gene mit dem Auftrag, den Befall des Organismus zu regulieren. Ein Gen bildet dabei ein Enzym mit dem Kürzel Setdb2, das gewissermaßen als Stoßdämpfer fungiert. Es soll den Strom der Abwehrzellen im Körper kanalisieren und auch ein wenig stauen.

Evolutionär gesehen scheint der Körper also abzuwägen, was er eher riskieren kann. Bei der Pneumonie als Superinfektion hat er sich gegen die chronische Autoimmunerkrankung entschieden, die Organe in Mitleidenschaft ziehen kann, und nimmt die Attacke von Bakterien in Kauf. Dringen diese also in die Lunge ein, die schon durch eine Grippe geschwächt ist, werden Botenstoffe, die Immunzellen zur Bekämpfung anlocken sollten, gedämpft – und die Pneumonie kann um sich greifen.
Deshalb könnte eine Therapiemöglichkeit der Zukunft sein, jenes Enzym Setdb2 in gewissen Situationen zu blockieren.

Quelle

15. März 2016