Das Undine-Syndrom oder auch das kongenitale zentrale Hypoventilationssyndrom ist eine seltene, angeborene Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die „normale“ autonome Atmungskontrolle fehlt oder gestört ist.
Insbesondere handelt es sich dabei um eine Störung der zentralen CO2-Chemo rezeptorsensitivität, verminderte CO2-Antwort. Die Atemantwort eines Kindes mit Undine-Syndrom auf eine niedrige Sauerstoffsättigung des Blutes, die Hypoxie, und/oder auf einen Kohlendioxidan stieg im Blut, die Hyperkapnie, ist typischerweise im Wachzustand eingeschränkt, aber oft noch ausreichend vorhanden. Im Schlaf oder bei zusätzlichen Erkrankungen kommt es in unterschiedlichem Ausmaß zur weiteren Verringerung dieser notwendigen Atemantwort, so dass diese Kinder zumindest während des Schlafes beatmet werden müssen. Die meisten Undine-Kinder atmen während des Wachzustandes oberflächlich, aber weitgehend ausreichend. In Deutschland gibt es etwa 100 betroffene Patienten, Stand 2013.
„Tagsüber ist alles bei mir in Ordnung“, sagt Tobias Mohn, „aber nachts, wenn ich schlafe, bin ich an eine Maskenbeatmung angeschlossen, weil ich von Geburt an im Schlaf nicht atme“. Nach dem bekannten Klaps auf den Po, den jedes Baby nach der Geburt erhält, stellte man bei Tobias fest, dass er nicht eigenständig atmet und schloss ihn durch ein Tracheostoma an eine Beatmungsmaschine an. Seine ersten eineinhalb Lebensjahre verbrachte Tobias im Krankenhaus. Nach Hause entlassen, übernahmen seine Eltern die Pflege ihres Sohnes. „Damals hatten wir noch keinen Pflegedienst und meine Mutter hat sich um mich gekümmert“, erinnert sich der 27-jährige. Als Kind wurde Tobias antrainiert, tagsüber zu atmen. „Als Kind kann man das noch lernen, deshalb wurde ich mit 18 Jahren auf Maskenbeatmung umgestellt“, weiß der gebürtige Bad Godesberger.
Mit 18 Jahren wurden Tobias unter beiden Brüsten zwei Pacer, sogenannte Zwerchfellschrittmacher, eingesetzt. Das Konzept der Zwerchfellschrittmacher besteht in einer elektrischen Stimulation des Diaphragmas, die zu einer Bewegung führt und damit einen „künstlichen Atemzug“ auslöst. Die elektrische Reizung erfolgt an der Stelle des Diaphragmas, an dem die verantwortlichen Nerven, der beidseitige N. phrenicus, mit dem Zwerchfellmuskel in Verbindung treten. Die Stimulation wird in dem Bereich des Diaphragmas durchgeführt, in dem sich der N. phrenicus im Atemmuskel verzweigt und die Nerven-Muskelverbindung aufbaut, die direkte Diaphragmastimulation, kurz DDS. Die Zielstellung der DDS besteht darin, durch wiederholte Stimulationen des Zwerchfells einen „Trainingseffekt“ zu erzeugen und damit eine Prophylaxe für das Fortschreiten der Atemfunktionsstörung eine Konditionierung zu erreichen.
Erster Pflegedienst wurde eingeschaltet – Eigenständigkeit gewährleistet
2004 wurde zum ersten Mal ein Pflegedienst zur Betreuung von Tobias Mohn eingesetzt. „Hauptsächlich zur Entlastung meiner Mutter“, bemerkt Mohn, „als ich 18 wurde, wollte sie wieder arbeiten gehen.“ Der naturverbundene junge Mann zog nach seinem Realschulabschluss nach Volmarstein in eine Einrichtung für „Betreutes Wohnen“ und ab solvierte eine dreijährige Ausbildung zum GartenFachwirt in Zierpflanzen. Kurz vor Ende seiner Ausbildung lernte er in einer Diskothek in Wuppertal seine jetzige Frau Stephanie kennen. „Es war bei uns wirklich Liebe auf den ersten Blick“, berichtet der Musikfreund, „im Sommer letzten Jahres haben wir geheiratet und im November kam unsere Tochter zur Welt.“
Von 23.00 bis 6.30 Uhr ist jeden Tag eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus der Abteilung für außerklinische Beatmung der Familien- und Krankenpflege Bochum Gast im Wohnzimmer der Familie Mohn in Bonn-Beuel. Der Pfleger überwacht den Schlaf von Tobias über ein praktisches Hilfsmittel: „Hier im Wohnzimmer steht ein Babyphon auf dem Schrank, das Alarm schlägt, wenn die Sauerstoffsättigung bei meiner Beatmungsmaschine nicht mehr richtig funktioniert“, erwähnt Tobias Mohn. Es kann passieren, dass der Patient sich im Schlaf in eine Liegeposition bringt, die ihm Probleme bei der Maskenbeatmung bereitet, hier setzt der Pfleger ein und bettet den Patienten um, damit wieder ein geregelter Sauerstofffluss gewährleistet ist. „Ich selber kriege das gar nicht mit, dass ich nicht mehr atme“, erklärt Mohn. „Wenn ich schlafe, dann schlafe ich, dann merke ich noch nicht mal, wie ich umgebettet werde.“
Ganzer Stolz von Tobias Mohn ist seine sieben Monate alte Tochter Leonie-Marie. „Bei meiner Krankheit besteht eine 50:50 Chance, dass ich sie an meine Kinder weitervererbe“, sagt der Fantasy-Fan, „aber bei meiner kleinen Tochter ist alles gut gegangen.“ Alle zwei Jahre muss Tobias nach München in die „Kinderklinik Dritter Orden“ zur Kontrolle seiner Zwerchfellschrittmacher. Die Lachnerklinik unter der ehemaligen Leitung von Prof. Dr. Schöber hat sich auf Zwerchfellschrittmacher spezialisiert. Prof. Schöber betreut ca. 40 Undine-Patienten mit Zwerchfellschrittmacher. Inzwischen leitet Prof. Dr. Peters die Klinik. „In München bin ich schon seit der Entfernung des Tracheo stoma in Behandlung und fühle mich dort sehr gut aufgehoben“, so Mohn, „hier kann ich mir sicher sein, dass immer die neuesten Forschungsergebnisse vorliegen und man mich, wo ich doch zu einem der ersten Undine-Patienten in Deutschland gehöre, immer erfolgsorientiert behandelt.“
Für die Zukunft wünscht sich Tobias Mohn: „Dass alles so gut weiter läuft, wie es jetzt ist. Wir möchten bald alle zusammen in Urlaub fahren. Da ich ja weiß, dass es auch möglich ist, dass ein Pfleger uns begleitet, werden wir auch dort ganz entspannt sein.“ Der Karnevalsfan absolviert gerade eine Umschulung zur Sicherheitsfachkraft und weiß, was er tagsüber im Notfall machen kann: „Wenn ich tagsüber einmal so müde bin, zum Beispiel im Zug oder Bus, dass die Gefahr bestünde, dass ich einschlafe, dann rufe ich einfach meine Frau an, sie muss mich dann unterhalten und durch unser Gespräch wach halten, damit ich nicht wegdöse, denn das wäre für mich tödlich“, erklärt Tobias und lächelt seine Frau an. Die lächelt zurück und erwidert; „Kein Problem, so schnell wirst du mich nicht los!“