Wie sehr belasten Intensivpatienten Routinehandgriffe des Pflegepersonals?

Wie sehr belasten Intensivpatienten Routinehandgriffe des Pflegepersonals?
Anhand einer Pilotstudie zeigten schwedische Wissenschaftler, wie sich Routinehandgriffe, wie z.B. Umlagern und Absaugen, auf den Gesundheitszustand von schwer kranken Patienten auswirken. In der Studie wurden physiologische Parameter als Marker für Unbehagen detailliert gemessen und aufgezeichnet.Joakim Engström und seine Kollegen haben 16 Intensivpatienten, darunter drei Frauen und 13 Männer, intensiv beobachtet und dabei eine Vielzahl physiologischer Parameter gemessen. Gemessen wurde bei der Studie sowohl Atem- und Herzfrequenz als auch der arterielle Blutdruck und die Sauerstoffsättigung. Auch Husten oder Asynchronie zwischen Patient und Respirator wurden genau beobachtet und dokumentiert. Alle zwei Stunden wurden die Patienten zur Vermeidung von Druckgeschwüren umgelagert und je nach Bedarf abgesaugt. Engströms Team beobachtete insgesamt 158 „große“ und 692 „kleinere“ Abweichungen der normalen Messparameter. Zur Graduierung hatten die Forscher im Vorfeld für jeden Parameter einen bestimmten Schwellenwert festgelegt. Um mit Sicherheit feststellen zu können, dass die gemessene Abweichung mit dem Eingriff des Pflegepersonals in Zusammenhang steht, mussten die Abweichungen innerhalb von 60 Sekunden nach dem Routinehandgriff des Pflegepersonals stattgefunden haben.

„Große Abweichungen“ betrafen in erster Linie die Sauerstoffsättigung. Bei 29% der „großen Abweichungen“ war der SpO2 unter 90% gesunken. Am zweithäufigsten war die Asynchronie bei der Beatmung, gefolgt vom Blutdruckabfall bis zur Hypotension. „Große Abweichungen“ traten zu 61% nach Umlagerungsmanövern auf. Bei 12% der Abweichungen war die Verabreichung eines Medikaments vorausgegangen, bei 8% eine klinische Untersuchung. Alle großen Abweichungen stehen in Zusammenhang mit der Behandlung des Pflegepersonals. In ungestörten Ruhephasen wurden keine nennenswerten physiologischen Veränderungen registriert.
Bei den kleineren Ausschlägen standen Blutdruckanstiege oder -abfälle mit 35% an erster Stelle, gefolgt von Husten und einem Anstieg der Atemfrequenz. Auch hier lag die Ursache in erster Linie bei den Umlagerungsmanövern, gefolgt vom tracheobronchialen Absaugen. Vom Pflegepersonal wurden keine dieser Abweichungen dokumentiert. Die Reaktionen der Patienten wurden anscheinend als normale Nebeneffekte der Behandlung betrachtet und man maß ihnen keine größere Bedeutung bei.

Die Forscher fordern nun ein Umdenken bei der Pflege von Intensivpatienten. Vor allem die Praxis des Umlagerns sei zu hinterfragen, denn es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass die Patienten alle 2 Stunden umgelagert werden müssen, um einen Dekubitus zu verhindern. Entsprechende Studien stammen aus einer Ära, in der u. a. die Betten- und Matratzenqualität deutlich schlechter war als heute. Ein sich wiederholender Sättigungsabfall, wie er in der Studie beobachtet wurde, sei bei kritisch kranken Patienten schwerwiegender als eine mögliche Dekubitusgefahr.

Quelle

29. November 2016