DGM-Patientenlotsen neu an fünf Neuromuskulären Zentren

DGM-Patientenlotsen neu an fünf Neuromuskulären Zentren

Fünf Pharmaunternehmen und eine Privatperson fördern erstmals gemeinsam Patientenangebot

Neuromuskuläre Zentren (NMZ) sind für Muskelkranke wichtige Anlaufstellen. Für die zumeist in ihrer Mobilität eingeschränkten Patienten ist die angebotene interdisziplinäre Versorgung von der anspruchsvollen Diagnosestellung bis zur medizinisch-therapeutischen Unterstützung jedoch oft mit einem großen Aufwand und Wartezeiten verbunden. Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM) initiierte daraufhin das nun erfolgreich gestartete Pilotprojekt „DGM-Patientenlotse“. Fünf Neuromuskulären Zentren werden Case-Manager mit jeweils einer halben Personalstelle zur Verfügung gestellt. In einem Bewerbungsverfahren wurden die Klinken in Essen, Heidelberg, Leipzig, Jena und Göttingen ausgewählt. Ein Novum ist die beispielhafte Förderung: Fünf Pharmaunternehmen sowie eine Privatperson engagieren sich gemeinsam für das Projekt. Im Einzelnen sind dies Alexion Pharma Germany, AveXis, PTC Therapeutics, Roche Pharma, Sarepta Therapeutics sowie Patrick Schwarz-Schütte (Düsseldorf).

Komplexe Behandlung muskelkranker Patienten
Von der ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), SMA (Spinale Muskelatrophie) oder einer anderen neuromuskulären Erkrankung betroffene Menschen benötigen eine intensive medizinisch-therapeutische Versorgung. Diese erfordert, dass neben der Neurologie Fachrichtungen wie beispielsweise Kardiologie, Pulmologie, Orthopädie und Radiologie sowie physiotherapeutische und weitere Fachkräfte in die Diagnostik und Behandlung einbezogen werden. Zudem handelt es sich bei den derzeit bekannten rund 800 verschiedenen Muskelkrankheiten jeweils um seltene Erkrankungen, die im Rahmen eines NMZ nur von einzelnen entsprechend qualifizierten Fachpersonen behandelt werden. Die klinische Konsultation ist für Muskelkranke deshalb mit erheblichem administrativem, koordinativem und organisatorischem Aufwand verbunden. „Lange Wartezeiten auf Untersuchungen sowie mehrere Anreisen zu einzelnen Terminen sind Alltag. Dies verzögert für die Betroffenen die therapeutische Behandlung und die Linderung ihrer Beschwerden. Hier greift die Idee des Projekts, den Patientenkomfort zu steigern,“ so DGM-Bundesgeschäftsführer Joachim Sproß.

DGM-Patientenlotse am NMZ Heidelberg
v.l.n.r.: Dr. Andreas Ziegler (Neuropädiatrie Heidelberg), Dr. Urania Kotzaeridou (Sprecherin des Muskelzentrums Rhein-Neckar), Heike Matzkuhn (DGM-Patientenlotsin, Heidelberg)


DGM-Patientenlotsen als Case-Manager
Die Patientenlotsen sind Ansprechpartner, Vermittler sowie Koordinatoren innerhalb der Neuromuskulären Zentren. Sie organisieren interdisziplinäre Konsultationen und leiten Patienten zu den notwendigen Stellen. Ihr Vorteil sind die kurzen Wege zu den einzelnen involvierten Personen und Abteilungen. Da die Lotsen administrative und organisatorische Aufgaben übernehmen, kann sich das medizinische Personal auf seine eigentlichen Aufgaben in der medizinisch-therapeutischen Versorgung konzentrieren. Patientenlotsin Heike Matzkuhn startete am 1. Juli 2020 am NMZ Heidelberg. „Durch das passgenaue Behandlungs- und Versorgungssetting sollen sich nicht nur Patientenkomfort und Kommunikation verbessern, sondern auch Wartezeiten für neuromuskulär erkrankte Menschen abgebaut werden, “ so Dr. med. Urania Kotzaeridou, Sprecherin des NMZ Heidelberg bei der Eröffnung der Lotsenstelle. „Eine enorme Entlastung für uns Medizinerinnen und Mediziner“, beschreibt auch die Neurologin und Vorsitzende des NMZ Leipzig, PD Dr. Petra Baum. Die Leipziger Patientenlotsin Eike Hänsel, bereits seit Projektbeginn im April 2020 im Einsatz, ergänzt: „Die Kontakte und viele Rückmeldungen lassen jetzt schon den großen Vorteil für die Patienten erkennen.“

DGM-Patientenlotse am NMZ Leipzig
v.l.n.r.: PD Dr. Petra Baum (Sprecherin des Muskelzentrums Leipzig), Monika Robitzsch (Vorsitzende DGM-Landesverband Sachsen), Eike Hänsel (DGM-Patientenlotsin, Leipzig), Katharina Kohnen (Mitglied im DGM-Bundesvorstand)

Der Einsatz der DGM-Patientenlotsen wird in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg fortlaufend evaluiert und dokumentiert. Ziel ist, dass die Tätigkeit der Case-Manager nach Abschluss des Projekts in die Regelversorgung eingeht.


Patientenlotsen in der Medizin
Zahlreiche Akteure im Gesundheitswesen befürworten eine Implementierung von Patientenlotsen. In der Schlaganfallmedizin, der Onkologie sowie weiteren Disziplinen werden sie bereits eingesetzt. Neu ist bei dem Projekt DGM-Patientenlotse die Ausgestaltung des Angebots aus Selbsthilfesicht, also von Betroffenen für Betroffene.

Leben mit einer Muskelerkrankung:

  • Aufgrund der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen suchen Betroffene oft jahrelang nach einer Diagnose.
  • Muskelmasse und -kraft nehmen je nach Erkrankung bis zur vollständigen Bewegungsunfähigkeit ab.
  • Die Auseinandersetzung mit der Diagnose ist eine extreme psychische Belastung für Betroffene und ihre Angehörigen.
  • Bei bestimmten Erkrankungsformen ist mit einer verkürzten Lebensdauer zu rechnen.
  • Je nach Erkrankungsform treten Muskelerkrankungen bereits im Kindes- oder erst im Erwachsenenalter auf. Der Alltag ist häufig nur mit Hilfe zu bewältigen.
  • Um Therapien, Hilfsmittel und andere notwendige Unterstützungen zu erhalten, gibt es oft langwierige Schriftwechsel mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern.

Über die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM)
Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM) mit Sitz in Freiburg ist mit über 8800 Mitgliedern die größte und älteste deutsche Selbsthilfeorganisation für Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen. Seit über 50 Jahren fördert die DGM die Erforschung der mehr als 800 verschiedenen heute bekannten, teilweise sehr seltenen Muskelerkrankungen. Eine wichtige Aufgabe der DGM ist auch die Beratung und Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen in ihrem Alltag. Über Muskelerkrankungen zu informieren und die Interessen von muskelerkrankten Menschen gesundheitspolitisch zu vertreten, sind weitere zentrale Anliegen der Selbsthilfeorganisation.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM)
Fotos: DGM

29. August 2020